Italienische Novellen, Band 2
euch, daß wir Bergamasken in jeder Hinsicht begabter sind als ihr. Und wenn ihr Florentiner auch jene einschmeichelnde Sprache habt, die das Ohr der Hörer mehr entzückt als die unsere, so seid ihr uns doch in jeder andern Beziehung bei weitem unterlegen. Wenn wir es gut überlegen, so gibt es niemand unter unsern Landsleuten, sei er groß oder klein, der nicht etwas schriftkundig wäre, und dabei sind wir durchaus fähig zu jeder edlen Tat, was man bei euch wahrhaftig nicht antrifft, und wenn man doch dergleichen findet, sind es nur wenige.«
Nun entbrannte der Streit von beiden Seiten aufs heftigste, da weder die Bergamasken den Florentinern noch die Florentiner den Bergamasken nachgeben wollten, sondern jeder seine Sache verteidigte, – als sich ein Bergamaske erhob und sagte: »Wozu so viele Worte? Machen wir die Probe und setzen wir eine feierliche Disputation an, in der die Blüte der Gelehrten in Wettstreit tritt: dann wird man klar sehen, wer von uns vortrefflicher ist.«
Dem stimmten die Florentiner bei, aber es blieb strittig, ob die Florentiner nach Bergamo oder die Bergamasken nach Florenz gehen sollten; nach vielen Worten wurde man einig, das Los zu werfen. Man machte zwei Zettel, tat sie in ein Gefäß, und es traf die Florentiner, nach Bergamo zu gehen. Der Disputationstag wurde auf den ersten Tag des Monats Mai festgesetzt.
Die Kaufleute gingen in ihre Städte und berichteten alles ihren Gelehrten. Diese waren sehr zufrieden, als sie die Sache gehört hatten, und bereiteten sich auf eine schöne und lange Disputation vor. Die Bergamasken als kluge und gerissene Leute dachten sich etwas aus, damit die Florentiner verwirrt und beschämt würden. Deshalb rief man alle Gelehrten der Stadt zusammen, Grammatiker wie Rhetoriker, geistliche wie weltliche Juristen, Philosophen wie Theologen und jede andere Art von Doktoren und wählte die besten aus und hielt sie in der Stadt zurück, damit sie als Fels und Festung in der Disputation gegen die Florentiner stünden. Die andern jedoch steckte man in gemeine Kleider und schickte sie vor die Stadt hinaus in jene Gegend, wo die Florentiner vorbeikommen mußten, mit dem Auftrag, mit ihnen immer lateinisch zu reden. Die Bergamasker Doktoren mischten sich so, in grobes Tuch gehüllt, unter die Bauern und machten sich an allerhand Tätigkeiten: diese hoben Gräben aus, jene hackten die Erde, der machte dies, ein andrer jenes.
Während nun die Bergamasker Doktoren sich so betätigten, daß sie Bauern zu sein schienen, da kamen die Florentiner hoch zu Roß mit großem Prunk daher. Als sie jene Leute sahen, die die Erde bearbeiteten, sagten sie: »Gott segne euch, Brüder!«
Darauf antworteten die Bauern: » Bene veniant tanti viri! « Die Florentiner, die dachten, sie täuschten sich, fragten: »Wieviel Meilen sind es noch bis zur Stadt Bergamo?«
Worauf die Bergamasken antworteten: » Decem vel circa. « Als sie diese Antwort hörten, fragten die Florentiner: »Brüder, wir sprechen zu euch italienisch; woher kommt es, daß ihr lateinisch antwortet?«
Die Bergamasken antworteten: » Ne miremini, excellentissimi domini. Unusquisque enim nostrum sic ut auditis loquitur, quoniam maiores et sapentiores nostri sic nos docuerunt .«
Während die Florentiner ihren Weg fortsetzten, sahen sie einige andere Bauern, die oberhalb der Straße Gräben aushoben. Sie hielten an und riefen: »Gefährten, ihr da, Gott sei mit euch!«
Worauf die Bergamasken antworteten: » Et deus vobiscum semper sit! «
»Wie weit ist's noch nach Bergamo?« fragten die Florentiner. » Exigua vobis restat via .«
Und ein Wort gab das andere, und sie begannen zusammen über Philosophie zu streiten; und die Bergamasker Bauern führten so starke Argumente ins Feld, daß die Florentiner Doktoren fast nicht zu antworten wußten. Darüber verwunderten sie sich alle und sagten untereinander: »Wie ist es möglich, daß diese ungehobelten und dem Ackerbau und anderen ländlichen Arbeiten hingegebenen Menschen so gut in den humanistischen Wissenschaften unterrichtet sind?«
Sie zogen weiter und ritten zu einer Gastwirtschaft, die nicht weit von der Stadt und recht ordentlich war. Aber bevor sie die Wirtschaft erreichten, erschien ein Stallknecht, der sie in das Haus zu kommen folgendermaßen einlud: » Domini, libetne vobis hospitari? hic enim vobis erit bonum hospitium .« Und da die Florentiner durch den langen Weg schon müde waren, stiegen sie von ihren Pferden. Während sie die Treppe
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