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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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ansah, so blendete, wie wenn einer fest in die glühende Sonne sehen will, wenn sie im Juni mitten am unbedeckten Himmel flammt. Mit diesen Blicken konnte sie jeden töten und, wenn sie wollte, wieder vom Tode erwecken. Die feine Nase, dem übrigen liebreizenden Gesicht angemessen gebildet, teilte gleichmäßig die rosigen Wangen, die, mit lebhaftem Weiß und sittsamem Rot besprengt, in der Tat zwei Rosenäpfel zu sein schienen. Das kleine Mündchen hatte zwei Lippen, die zwei glänzenden feinen Korallen glichen. Wenn sie nun sprach oder lächelte, enthüllten sich dazwischen zwei Schnüre morgenländischer Perlen, aus welchen man eine so holde Harmonie mit so anmutiger Rede hervordringen hörte, daß die rohesten und wildesten Herzen dadurch weich und angenehm geworden wären. Was soll ich aber von der Schönheit des anmutigen Kinns sagen, von dem elfenbeinweißen Hals, von den marmornen Schultern und dem alabasternen Busen, wo sie unter einem ganz feinen Schleier zwei zarte, feste, runde Brüstchen barg? Ihr jungfräulicher Busen war noch nicht hoch gewölbt, aber zeigte in aller Sittsamkeit die dem zarten Alter des Mädchens angemessenen Reize. Das übrige der schlanken und ebenmäßigen Gestalt durfte nicht minder schön sein, wie man leicht schließen konnte, da man nirgends einen Fehler bemerkte. Ich schweige von den schlanken Armen mit den wunderschönen Händen, deren Länge, Weiße und Weichheit man sah, wenn sie die duftenden Handschuhe abzog. Auch machte sie es nicht, wie manche Mädchen, die, indem sie sich sittsam aufführen wollen, traurig und schwermütig erscheinen. Vielmehr zeigte sie sich immer mit einem gemäßigt heitern Gesicht, wohlwollend, höflich und bescheiden. Den geraden weißen Hals umgab ein Goldkettchen von der feinsten Arbeit, welches, vorn auf den Busen herabhängend, in den engen Pfad herabfiel, der die Elfenbeinhügel trennte. Das Kleid war von weißem Zendel, durchweg kunstreich aufgeschlitzt, so daß ein reicher Goldstoff darunter hervorleuchtete.
    Während sie nun also gegen die Burg ritten, machte sich Don Diego nach Landessitte an die rechte Seite der blonden Ginevra, führte sie am Zügel und sprach mit ihr über dies und das. Der Ritter war ein nicht minder schöner Jüngling, als sie ein schönes Mädchen. Als sie in der Wohnung angekommen waren, forderte die Mutter der blonden Ginevra den Ritter auf, ein wenig der Ruhe zu pflegen, und ließ ihn in ein reich geschmücktes Zimmer führen, wo er die Stiefel auszog. Er hatte zwar kein großes Bedürfnis zu ruhen; doch um der Hausfrau nicht zu widersprechen, nahm er die Jagdkleider ab und zog andere reiche Gewänder an, die sie ihm bringen ließ. Immer dachte er dabei an die himmlischen Reize der Jungfrau, die ihm eine Schönheit deuchte, wie er noch nie etwas Ähnliches gesehen hatte. Auf der andern Seite konnte auch die blonde Ginevra nicht umhin, während er mit einigen Dienern der Dame auf seinem Zimmer sich befand, das Bildnis des Ritters im Sinne zu behalten, der ihr in der kurzen Bekanntschaft schon als der schönste, artigste und mannhafteste Jüngling erschienen war, den sie je gesehen hatte. Auch fühlte sie im Gedanken an ihn eine wunderbare, noch nie gekannte Wonne. Ohne es zu merken, fühlte sie sich am Ende heftig in ihn verliebt; und er, der gleicherweise an sie dachte und bald dies, bald jenes an ihr bewunderte, sog unvermerkt das Liebesgift ein und kam zu dem Schlüsse, daß, während er einen Hirsch habe umbringen wollen, er selbst von der schönen Jungfrau mit dem Pfeile der Liebe tödlich getroffen worden sei.
    Nachdem Don Diegos Diener ihn lange gesucht hatten, ohne eine Spur von ihm zu finden, gingen sie nach Hause in der Meinung, er werde auf einem andern Wege nach dem Schlosse zurückgekehrt sein. Als sie nun bis auf eine halbe Meile zum Schlosse gekommen waren, trafen sie auf den Boten, den man an Don Diegos Mutter abgesandt hatte, um sie zu benachrichtigen, daß sie ihn heute abend nicht erwarten dürfe. Und weil es schon etwa die zweite Nachtstunde war, wollte die Mutter, welche wohl wußte, daß ihr Sohn in einer guten Herberge versorgt sei, in dieser Nacht nicht, daß noch jemand hingehe.
    Die beiden neu Verliebten hatten noch nicht allzulange ihren Gedanken aneinander nachgehangen, als das Abendessen fertig war, das in einem Saale aufgetragen wurde. Der Ritter wurde dahin geführt, Mutter und Tochter empfingen ihn artig und höflich und unterhielten ihn mit anmutigen Gesprächen. Man brachte Wasser,

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