Italienische Novellen, Band 2
womit sich auf die Aufforderung der Hausfrau alle drei die Hände wuschen, und Don Diego mußte wider seinen Willen oben an der Tafel seinen Platz einnehmen. Die Hausfrau setzte sich ihm zur Rechten, die blonde Ginevra zur Linken, und die andern Tischgenossen nahmen nebeneinander der Reihe nach Platz. Das Abendessen bestand aus vielen verschiedenartigen, sehr schmackhaften Speisen; doch aßen die beiden Liebenden wenig davon. Die Dame hatte die köstlichsten Weine heraufholen lassen, wiewohl sie und ihre Tochter keinen Wein tranken. Es ergab sich jedoch, daß auch Don Diego niemals Wein genossen hatte, da er von Kindheit auf so gewöhnt war, so daß sie alle drei Wasser tranken. Wäre ich dabeigewesen, so hätte ich es mit den andern gehalten, welche Wein tranken. Denn meine Meinung ist die, daß alle Speisen der Welt, wenn man keinen Wein dabei hat, geschmacklos sind; und je besser der Wein, desto besser schmecken gewiß auch die Speisen.
Die nichts weniger als schweigsame Edelfrau wußte den Ritter, den sie vielfach zum Essen nötigte, bald von diesem, bald von jenem zu unterhalten; und da auch die blonde Ginevra Anteil an dem Gespräche nahm, kam man immer weiter, und der Ritter fühlte sich wie im Paradiese. Was er sagte, ermangelte auch nicht des Beifalls der Damen, und solchergestalt wurde unter Gesprächen und einem ausgesuchten Mahle die Zeit des Abendessens heiter hingebracht. Nach dem Essen, bis die Schlafenszeit herankam, sprach der Ritter noch viel mit seiner Geliebten, wagte aber niemals ihr seine glühende Liebe zu entdecken, sagte ihr indes im allgemeinen, er sei ihr Diener und wünsche, daß sie ihm befehle, da er dies als eine große Gunstbezeigung betrachten würde. Das Mädchen wurde hierüber bald blaß, bald rot und dankte dem Ritter bescheiden für seinen Antrag; und wenn sie auch aus seinen Gebärden und Worten zu erkennen glaubte, daß er sie mehr als gewöhnlich liebe, so gab sie sich doch den Anschein, als ob sie es nicht merke, um ihn in Zukunft desto besser ergründen zu können.
Als es nun Schlafenszeit geworden war, wünschten sie sich nach der allgemeinen Sitte gute Nacht, und alle legten sich zu Bette. Wie aber die beiden neuen Liebenden geschlafen haben mögen, kann sich jeder leicht vorstellen, der sich je in einem ähnlichen Labyrinthe befunden. Sie schliefen nicht und brachten die ganze Nacht in Gedanken hin, zwischen Furcht und Hoffnung, bald sich Vorwürfe machend, bald sich ermunternd, das Unternehmen zu verfolgen. Die blonde Ginevra meinte, in dem Benehmen des Ritters ein gewisses Etwas wahrgenommen zu haben, was ihr als Zeichen und Pfand seiner Liebe galt und sie versicherte, daß sie ihrerseits nicht vergebens lieben würde. Mit diesen Gedanken unterstützte und hegte sie den schon begonnenen Liebesbrand. Don Diego fand in seinem Sinne die Jungfrau liebenswürdig, verständig und so reizend und schön, als er sich nur vorstellen mochte, und fühlte sich überall glühen; kurz, er war genötigt sie zu lieben, wenn er auch nicht wollte. Doch schien ihm, obgleich er sich ihr einigermaßen enthüllt hatte, daß er in ihr keine entsprechende Gesinnung, wie er gewünscht, gefunden habe, und er war deshalb über seine Liebe im Zweifel. Er tröstete sich jedoch damit, daß sie noch sehr jung sei, und daß in der Regel die jungen Mädchen sehr sittsam sein müssen und dem Gerede junger Männer nicht so leicht Glauben schenken dürfen; dabei hoffte er durch treue Dienste sie schon noch zu gewinnen. Dies waren die Gedanken der beiden neu Verliebten in dieser Nacht.
Sobald es wieder Tag geworden war, kamen Don Diegos Diener, um ihn nach Hause zu begleiten. Die Edelfrau, die bereits aufgestanden war, hatte aber angeordnet, daß beizeiten ein anständiges Mittagsmahl bereitet werde, weil sie nicht wollte, daß der Ritter schon des Morgens scheide. Er ließ sich gerne bereden, da er nur immer die blonde Ginevra hätte sehen mögen. Als sie diesen Morgen aufstand, kleidete sie sich, um ihrem Geliebten Freude zu machen, sehr reich und zierlich, so daß alles an ihr zu lachen schien. Sie beschaute sich wieder und wieder im Spiegel und ging auch mit ihrem Mädchen zu Rat, damit gar nichts Tadelnswertes an ihr bliebe. So trat sie aus ihrem Gemach und ging in einen Garten, wo ihre Mutter im Gespräche mit dem Ritter auf und ab ging. Sobald er sie sah, grüßte er sie ehrerbietig und betrachtete sie genau. Wenn sie ihm nun den Tag zuvor äußerst schön vorgekommen war, so schien ihm heute die
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