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Ivanhoe

Ivanhoe

Titel: Ivanhoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Scott
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alt, sein Haar war grau, sein langer Bart war grau, seine buschigen Augenbrauen waren grau, aber sie hingen über zwei Augen hinweg, die ihr Feuer im Laufe der Jahre nicht verloren hatten. Seinen hagern und strengen Zügen sah man es an, daß er ein furchtbarer Krieger und ein mutiger standfester Streiter war, aber sie verrieten auch den fanatischen Büßer, den verbissenen Priester und den selbstzufriedenen Frömmler. Zu dem Ernst seines Gesichts gesellte sich ein Zug der Hoheit und des Adels, der gewinnend wirkte und wohl daher rührte, daß dieser Mann eine so bedeutende Rolle unter Fürsten und Herrschern spielte und ständig unter so vielen edeln und tapfern Rittern die höchste Gewalt ausübte. Sein Wuchs war hoch, Alter und Mühsal hatten ihn nicht gebeugt, und er hatte eine stolze und gebieterische Haltung. Der weiße Mantel, den er trug, war streng nach der Ordensregel zugeschnitten. Auf der linken Schulter saß das achteckige Kreuz aus rotem Tuch. In der Hand trug er den Amtsstab. Der Gefährte dieser hohen Person trug fast die gleiche Kleidung, aber an der tiefen Unterwürfigkeit, die er gegen den Großmeister bekundete, sah man, daß außer in der Kleidung keine Gleichheit zwischen ihnen bestand. Er ging nicht neben ihm, sondern hinter ihm, und zwar so weit, daß sich der Großmeister mit dem Präzeptor – denn das war der Rang des jüngeren – unterhalten konnte, ohne daß er sich umzuwenden brauchte.
    »Konrad,« sagte der Großmeister, »lieber Gefährte meiner Schlachten und meiner Arbeit, deinem treuen Busen allein kann ich meine Sorgen anvertrauen, dir allein kann ich sagen, wie oft ich schon, seit ich den Fuß in dieses Königreich gesetzt habe, bei mir selber gewünscht habe, ich möchte zu den Gerechten gerufen werden. Nichts außer den Gräbern unsrer Brüder im Gewölbe unsrer Tempelkirche – nichts von allem, was ich sonst in dieser stolzen Hauptstadt gesehen habe, hat meinem Auge Freude gemacht. Eher wollte ich mit hunderttausend Heiden fechten, als den Verfall unseres Ordens mitansehen!«
    »Wahr ist es,« erwiderte Konrad de Mont-Fitchet – »nur zu wahr, unsere Brüder in England leben ausschweifender als die in Frankreich.«
    »Weil sie reicher sind! Sei nachsichtig mit mir, Bruder, wenn ich mich selber ein wenig lobe. Du weißt, was für ein Leben ich geführt habe, jede Regel des Ordens habe ich streng befolgt, mit dem Teufel in und außer dem Fleische habe ich gekämpft, niedergeworfen habe ich den brüllenden Löwen, der nach Beute umherstreift – niedergeworfen, wie es die Pflicht eines echten Ritters und frommen Priesters ist. Aber bei dem heiligen Tempel, ich schwöre dir, außer dir und noch einigen wenigen, die noch nach der alten Strenge des Ordens leben, sehe ich hier keinen Bruder, den meine Seele des heiligen Namens für würdig hält. Konrad, die heiligen Gründer unseres Ordens sind aus dem Schlummer des Paradieses geschreckt. Diese Nacht habe ich sie im Traume gesehen – sie haben Tränen vergossen über die Sünden und Torheiten ihrer Brüder und über die schmachvollen Ausschweifungen, denen sie sich hingeben. – Beaumanoir, haben sie zu mir gesagt, – du schläfst, erwache! Auf dem Hause der Templer liegt ein Fleck, schändlich und groß, wie ein Zeichen des Aussatzes. Die Streiter des Kreuzes, die den Blick des Weibes fliehen sollen wie den eines Basilisken, leben in öffentlich sündhaftem Verkehr nicht allein mit den Weibern ihres Glaubens, sondern sogar mit den Töchtern der Juden und der Heiden! Beaumanoir! Du schläfst, wach' auf! Räche uns! Strafe die Sünde an Mann und Weib! – Dann war das Traumbild vorbei. Ich aber will handeln nach ihrem Gebot, ich will das Haus der Templer reinigen, den unreinen Stein, in dem die Pest sitzt, will ich aus der Mauer reißen und zermalmen!«
    In diesem Augenblick kam ein Knappe, verneigte sich tief und wartete, daß ihm der Großmeister erlauben werde zu reden.
    »Macht es sich nicht weit schicklicher,« sagte der Großmeister, »diesen Mann im Gewande der Demut und in ehrfurchtsvollem Schweigen vor seinem Obersten stehen zu sehen, als wie er noch vor ein paar Tagen umherging, wie ein Narr in gesticktem Wams, geschwätzig und großtuerisch wie ein Papagei? Sprich, wir erlauben es dir! – Was hast du für Botschaft?«
    »Ein Jude,« antwortete der Knappe, »steht vorm Tore, hochwürdiger Vater, und begehrt mit Brian de Bois-Guilbert zu sprechen.«
    »Du tust recht daran, daß du das mir meldest,« sagte der

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