Ivanhoe
daß Ihr glücklich entronnen seid mit der schönen jüdischen Hexe, deren schwarze Augen Euch in Zauberbann geschlagen haben. Wir freuen uns herzlich, daß Ihr wohl geborgen seid. Demohngeachtet bitten wir Euch, seid auf Eurer Hut, was diese zweite Hexe von Endor anbetrifft, denn es ist uns insgeheim versichert worden, daß Euer Großmeister, der nichts nach schwarzen Augen und Purpurlippen fragt, aus der Normandie zu Euch unterwegs sei, um Euch Eure Vergnügungen zu versalzen und Euch für all Eure Missetaten zu bestrafen. Also seid vorsichtig. Der reiche Jude Isaak von York hat uns um einen Brief an Euch wegen seiner Tochter gebeten. Wir haben ihm nun diesen geschrieben. Wir raten Euch in allem Ernst, gebt die Dirne gegen ein Lösegeld frei, der Jude kann Euch aus seinen Geldsäcken so viel geben, daß Ihr Euch dafür fünfzig andere Dirnen mit weit weniger Gefahr halten könnt, und davon will ich dann meinen Anteil beanspruchen, wenn wir miteinander lustig sind wie treue Brüder und der Flasche nicht vergessen. Wir wünschen, daß es Euch gut gehen möge, bis zu unserer fröhlichen Zusammenkunft.
Gegeben hier in der Diebeshöhle zur Stunde der Morgenandacht.
Aymer, Prior von Sankta Maria de Jorlvaux.
Nachschrift. Eure goldene Kette hat wahrlich nicht lange meinen Hals geziert, ein geächteter Wilddieb trägt sie jetzt um den Nacken, und die Pfeife, womit er seine Hunde ruft, hängt daran.« –
»Was sagt Ihr nun dazu, Konrad?« sagte der Großmeister. »Eine Diebeshöhle ist ein passender Aufenthalt für einen solchen Prior. Es ist nicht zu verwundern, daß ihn Gottes Zorn trifft! Aber was will er mit seiner zweiten Hexe von Endor sagen?«
Konrad kannte aus Erfahrung die Sprache der Galanterie besser als sein Ordensherr, er erklärte ihm den Sinn der Worte, aber der Großmeister schien mit der Erklärung nicht zufrieden. »Dahinter steckt mehr, Konrad,« sagte er. »Du kannst in deiner Einfalt nicht diesen Abgrund von Gottlosigteit durchschauen. Diese Rebekka von York war eine Schülerin jener Miriam, von der du auch schon gehört hast. Gib acht, der Jude wird es eingestehen.«
Er wandte sich an Isaak und fragte laut: »Deine Tochter wird also von Bois-Guilbert gefangen gehalten?«
»Jawohl, Hochwürden, und was ein armer Mann wie ich für ihre Freigabe bezahlen kann –«
»Schweig! Deine Tochter hat die Heilkunst ausgeübt?«
»Jawohl, Euer Gnaden! Ritter und Vasall, Knappe und Bauer segnen die Gabe, die ihr der Himmel verliehen hat. Manch einer kann bezeugen, daß er wieder gesund geworden ist durch ihre Kunst, als alle andere menschliche Hilfe nichts mehr vermochte. Der Segen des Gottes Jakobs ist bei ihr!«
Mit grimmigem Lächeln wandte sich Beaumanoir an Mont-Fitchet. Dann sagte er wieder zu dem Juden: »Deine Tochter hat ihre Kuren sicherlich durch Worte, Amulette und andere kabbalistische Mysterien ausgeübt?«
»Nein, verehrter und tapferer Ritter, nur durch einen Balsam von wunderbarer Heilkraft.«
»Von wem hat sie das Geheimnis?« fragte Beaumanoir.
»Miriam, eine weise Matrone meines Volkes,« erwiderte der Jude zaudernd, »hat es ihr hinterlassen.«
»Ha, falscher Jude!« herrschte ihn der Großmeister an. »Die Hexe Miriam war es, von deren Zaubereien in jedem Christenlande mit Abscheu gesprochen worden ist. Ihr Leib ist am Pfahl verbrannt worden, ihre Asche in alle vier Winde verstreut, und dasselbe Schicksal soll ihre Schülerin treffen! Ich will sie lehren die Streiter des heiligen Tempels bezaubern. Hierher, Knappe! wirf den Juden zum Tor hinaus! Schlage ihn tot, wenn er sich widersetzt oder zurückkehrt! Mit seiner Tochter wollen wir verfahren, wie es das Gesetz der Christen und unser heiliges Amt erheischt!«
Einunddreißigstes Kapitel.
Albert Malvoisin, Präzeptor der Stiftung des Tempels zu Templestowe, war ein Bruder jenes Philipp von Malvoisin, der bereits in dieser Erzählung genannt worden ist, und wie dieser Baron eng mit Brian de Bois-Guilbert verbunden. Unter den ausschweifenden zügellosen Männern, deren der Orden der Templer nur zu viele in sich schloß, war Albert einer der schlimmsten, nur unterschied er sich von dem kühnen Bois-Guilbert dadurch, daß er es verstand, den Schleier der Heuchelei über seine Laster und seinen Ehrgeiz zu breiten. Nach außen hin trug er den Fanatismus zur Schau, den er innerlich verachtete. Wenn der Großmeister nicht so unerwartet gekommen wäre, so hätte er in Templestowe nichts gefunden, was eine Entartung der Manneszucht
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