Ivanhoe
verraten hätte, und obwohl nun Albert überrascht worden war und in mancher Beziehung auch verraten war, so hatte er doch den Verweis seines Herrn mit so tiefer Ehrfurcht und Zerknirschung hingenommen und zeigte sich so sehr beflissen, zu bessern, was getadelt worden war, und hatte so rasch in die Gesellschaft, die zuvor noch der Wollust und der Völlerei ergeben gewesen war, einen Anschein der Zucht und asketischen Frömmigkeit gebracht, daß Lukas Beaumanoir von der Sittlichkeit des Präzeptors besser dachte, als bei dem ersten Eindruck der Stiftung. Aber diese günstige Meinung wurde durch die Nachricht, daß Albert eine Jüdin, die obendrein die Mätresse eines Templers zu sein schien, in dieses heilige Haus aufgenommen hatte, von neuem heftig erschüttelt.
Als Albert vor dem Großmeister erschien, sprach er ihn im Tone ungewöhnlichen Ernstes an. »In diesem Hause, das dem heiligen Dienste des Ordens der Templer geweiht ist, befindet sich ein jüdisches Mädchen, das ein Ordensbruder mit Euerm Wissen hergebracht hat.«
Albert Malvoisin war in tiefster Bestürzung. Er hatte die unglückliche Rebekka in einem abgelegenen Teile des Hauses untergebracht und alle Vorkehrungen getroffen, daß ihr Aufenthalt unentdeckt bliebe. Er las in Beaumanoirs Blick sein und Bois-Guilberts Urteil, falls es ihm nicht gelingen sollte, den ausbrechenden Sturm abzuwenden.
»Weshalb verstummt Ihr?« fuhr der Großmeister fort.
»Ist es mir gestattet zu reden?« entgegnete der Präzeptor in unterwürfigem Tone. Er wollte aber durch diese Frage nur Zeit gewinnen, um sich zu fassen.
»Es ist Euch erlaubt. Sprecht und redet! Wie kommt es denn, daß Ihr einem der Brüder erlaubt habt, eine Geliebte, obendrein eine Jüdin, eine Zauberin, in dieses heilige Haus zu bringen, das dadurch geschändet und entweiht wird?«
»Eine jüdische Zauberin!« wiederholte Albert Malvoisin. »Mögen uns alle guten Geister davor beschützen!«
»Eine jüdische Zauberin, Bruder! Könnt Ihr es leugnen, daß sich Rebekka, die Tochter des schändlichen Wucherers Isaak von York, die Schülerin der verbrecherischen Miriam, eben jetzt – eine Schande ist es, es sagen zu müssen, es denken zu müssen! – hier in Euerm Präzeptorium befindet?« »Hochwürdiger Vater,« antwortete Albert, »Eure Weisheit hat die Nacht von meinem Verstande genommen. Es hat mich selber gewundert, daß ein so tapferer Ritter wie Bois- Guilbert so sehr von diesem Weibe bezaubert worden ist! Ich habe sie nur in dieses Haus aufgenommen, um einer wachsenden Vertraulichkeit, die vielleicht sonst zu dem Falle unseres tapferen und frommen Bruders geführt hätte, einen Riegel vorzuschieben.«
»Ist es bis jetzt noch zu nichts zwischen beiden gekommen, was gegen das Gelübde wäre?«
»Wie? Unter diesem Hause?« versetzte Malvoisin, sich bekreuzend. »Möge die heilige Magdalena das verhüten! Habe ich gefehlt, indem ich sie hier aufnahm, so geschah es nur in der irrigen Hoffnung, die unsinnige Neigung meines Bruders zu der Jüdin zu bekämpfen. Erschien mir doch seine Leidenschaft so wild und unnatürlich, daß ich sie nur einer Art Wahnsinn zuschreiben konnte, der mehr durch Mitleid als durch Vorwürfe zu heilen sei. Da nun aber die Weisheit Eurer Hochwürden entdeckt hat, daß diese jüdische Buhlerin eine Zauberin ist, so läßt sich ja freilich die verliebte Narrheit des Ritters völlig begreifen.«
»Freilich wohl!« sprach Beaumanoir. »Es kann sein, daß unser Bruder Bois-Guilbert mehr Mitleid als strenge Bestrafung verdient und daß er durch unsere Ermahnungen und durch Gebete von seinem Wahnwitz abgebracht und zu seinen Brüdern zurückgeführt werden kann.«
»Es wäre sehr schade,« sagte Mont-Fitchet, »wenn der Orden in ihm eines seiner tüchtigsten Mitglieder verlieren sollte. Zweihundert Sarazenen hat dieser Bois-Guilbert mit eigner Hand erschlagen.«
»Unser Bruder wird die Bande dieser Delila zerreißen,« sagte der Großmeister, »die schändliche Hexe selber aber soll wahrlich des Todes sterben!«
»Aber die Gesetze von England?« wandte der Präzeptor ein, der erfreut darüber war, daß sich der Zorn des Großmeisters von ihm und Bois-Guilbert abwandte, aber doch befürchtete, er könne in seinem Zorne zu weit gehen.
»Die Gesetze erlauben und befehlen jedem Richter,« erwiderte Beaumanoir, »innerhalb seines Bezirks Gerechtigkeit auszuüben. Jeder Baron kann in seinem Gebiete eine Hexe gefangen nehmen, prozessieren und verurteilen. Soll dies dem Großmeister
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