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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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«bis bald» und werden verabschiedet mit «bis zur Hochzeit».
    Als wir im Auto sitzen, resümiert Roni: «Das wird schwierig.»
    «Ja», sage ich. «Hoffentlich haben meine Eltern nichts Großes gekocht.»
    Ich parke in unserer Einfahrt. Dort hängt noch immer der Basketballkorb, den mein Vater damals absichtlich so tief angebracht hatte, dass ich mich als Neunjähriger nach Art der amerikanischen NBA-Profis dranhängen konnte. Erst jetzt fällt mir auf, wie nett das von ihm war.
    Schon vor der Haustür riecht es nach Wild. Ich drücke den Klingelknopf. Drinnen höre ich hysterisches Kläffen, dann eine Stimme, die «Schröder, aus!» ruft. Die Tür öffnet sich einen Spalt weit.
    «Butziii!»
    Nicht schon wieder.
    «Papa!», sage ich und will die Tür aufschieben, aber er blockiert sie von innen mit dem Fuß.
    «Sollen wir vielleicht draußen bleiben?», frage ich.
    «Nein, natürlich nicht», höre ich ihn herauspressen. «Ich muss nur noch schnell den Hund –» Und, zack, ist die Tür wieder zu.
    Roni schaut mich fragend an. Kurz darauf öffnet sich die Tür erneut, und mein Vater steht vor uns. Sein Haar ist weiß geworden, und er hat eine ganze Menge mehr Falten im Gesicht. Die tiefsten zerfurchen horizontal seine Stirn.
    «Lass dich drücken», sagt er und nimmt mich so fest in den Arm, dass mir die Luft wegbleibt. Er war schon immer dünn, aber jetzt ist er fast mager.
    «Das ist Roni», sage ich, und er streckt die Hand aus.
    «Seahvuß, ihi bihin ean Goharmisch-Poahtenkihachn geborahan.»
    «Verzeihung, wie bitte?»
    Mein Vater spricht lauter.
    «Gaharmisch. Pahartnkihachn. Doha bihan i wech.»
    «Er sagt, er sei in Garmisch-Partenkirchen geboren», übersetze ich. Das ist ja peinlich.
    Roni ergreift die ausgestreckte Hand.
    «Das ist ja toll. Ich kenne Sie aus dem Radio. Schön, das Gesicht zur Stimme zu sehen.»
    «Johaa, dehas Ratjo Pepe is jotzahat aa nochat Minga eini kimma», radebrecht mein Vater. Und fügt hinzu: «Mit dera Internet.»
    Ich muss dieser Farce ein Ende bereiten, ohne seine Sprachkompetenz in Frage zu stellen.
    «Roni spricht übrigens fließend hochdeutsch», werfe ich ein. «Ihre Mutter kommt aus Hannover.»
    «Dann darf ich dich ja drücken», entgegnet mein Vater und umarmt Roni. Und umarmt Roni. Und umarmt Roni. Als ich gerade darüber nachdenke, wann er Roni wohl genug umarmt hat, lässt er sie los.
    «Kommt doch erst mal rein.»
    Hinter der Glastür zum Wohnzimmer springt ein wütender weißer Kläffer auf und ab. «Ein interessanter Fall», meint mein Vater. «Sein Verhalten widerspricht allen Erkenntnissen der modernen Tierpsychologie.»
    Und sein Äußeres widerspricht jedem Schönheitsideal. Der Hund sieht aus wie ein Gemisch aus Terrier, Spitz und Fledermaus. Mit Segelohren. Eher interessant als schön. Mein Vater deutet meinen Blick richtig.
    «Als ich ihn geholt habe, hatte er noch so süße Schlappohren. Aber die haben sich nach zwei Tagen aufgestellt. Und da wollte ich ihn nicht mehr zurückgeben. Dich haben wir ja damals auch behalten.»
    Es ist toll, wieder zu Hause zu sein. Allerdings traue ich mich nicht hinter die Glastür.
    «Hunde, die bellen, beißen mich», flüstert mir Roni ins Ohr. Klingt logisch.
    Aus der Küche eilt meine Mutter herbei. Sie ist ein bisschen größer als mein Vater und hat ihre blonden Haare lang wachsen lassen. Steht ihr gut. Überhaupt sieht sie im Gegensatz zu meinem Vater sehr erholt aus. Sie zieht den Hund am Halsband von der Tür weg.
    «Hallo, Sebastian!»
    «Mutti!»
    Sie nimmt mich in den Arm, drückt mir einen Schmatzer auf die Wange und wischt sofort mit dem Ärmel eine Spur Lippenstift ab.
    «Und du musst Ronny sein. Interessant, ich dachte, so heißen nur Ostdeutsche. Was bedeutet dein Name?»
    «Er bedeutet Veronika», antworte ich. «Die Abkürzung ist Roni – mit langem o.»
    Meine Mutter mustert Roni mit geschultem Blick von oben bis unten und schweigt. Das macht sie auch in der Beratungsstelle so.
    «Sie ist die Liebe meines Lebens», füge ich sicherheitshalber hinzu.
    Für einen Moment fliegt ein Schatten über das Gesicht meiner Mutter. Ihre Augen flackern zu meinem Vater hinüber. Der schüttelt kaum merklich den Kopf. Dann haben sich die beiden wieder im Griff. Meine Mutter gibt Roni ein Küsschen auf die rechte und eines auf die linke Wange.
    Dabei lässt sie Schröder los. Der stürzt sich sofort auf Roni, in der er offenbar eine Konkurrentin um Frauchens Zuneigung sieht, und beißt sie in die Wade.
    «Autsch!»,

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