Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
ruft Roni.
«AUS!!!», rufen mein Vater, meine Mutter und ich.
Doch bevor einer von uns den Hund wegnehmen kann, packt Roni ihn mit beiden Händen, hebt ihn wie einen frechen Welpen am Nacken hoch, dreht ihn ein wenig und beißt ihm ebenfalls ins rechte Bein.
Schröder quiekt erschrocken. Roni setzt ihn wieder auf den Boden, und sofort rollt sich der Hund vor ihr auf den Rücken. «Das hat mir Knoll beigebracht», erklärt sie und pickt sich ein paar Hundehaare von der Zunge. «Auge um Auge, Bein um Bein.»
Sie beugt sich runter und krault Schröder am Bauch, woraufhin der versucht, ihr im Liegen die Pfote zu geben.
«Interessant», murmelt mein Vater und kratzt sich am Kopf.
«Möchte jemand ein Gläschen Prosecco?», ruft meine Mutter mit sich überschlagender Stimme in die Stille und eilt in die Küche, bevor wir antworten können.
Im Haus sieht es so aufgeräumt aus, dass ich gar nichts wiedererkenne. Von den Geweihen, die früher hier hingen, fehlt jede Spur. Nur auf der Toilette entdecke ich noch ein vereinzeltes Rehhorn: als Klopapierhalter.
Mein altes Zimmer dient nun als Gästezimmer. Darin steht ein großer Schrank aus hellem Holz, dessen Bauart mir sehr vertraut ist – und das Ehebett meiner Eltern. Anscheinend haben sie sich ein neues geleistet.
Nachdem wir unsere Sachen abgelegt haben, gehen wir ins Esszimmer und stoßen an. Meine Eltern sehen sich dabei nicht in die Augen. Egal. Am liebsten würde ich jetzt schon mit der großen Neuigkeit herausplatzen, aber ich will es noch ein wenig hinauszögern. Schröder, der Roni offenbar als neues Leittier akzeptiert hat, weicht nicht mehr von ihrer Seite.
«Tut mir leid, dass Schröder dich gebissen hat, das war ganz klar zwanghaftes Verhalten», analysiert mein Vater. «Oder eine Übersprungshandlung, weil er gestern operiert wurde.» Er erzählt, ihm sei vor ein paar Wochen aufgefallen, dass Schröder beim Laufen schlingere. «Er hat mit dem Hintern gewackelt wie Britney Spears.»
«Georg!», weist ihn meine Mutter zurecht.
«Ist doch so.»
Beim Röntgen fand der Arzt in Schröders Magen zwölf Golfbälle. Und eine Pistolenkugel.
«Ist wohl mal angeschossen worden, unser Schröder. Vielleicht hat er das Trauma verdrängt, und es bricht jetzt auf?»
O Gott, wie die beiden schon wieder reden! Hoffentlich gehen sie Roni nicht zu sehr auf die Nerven. Ich schaue zu ihr hinüber. Sie krault den Hund gerade hinterm Ohr, woraufhin der eine Erektion kriegt.
«Er hat die Kugel nicht mal gespürt», vermutet mein Vater. «Aber manche Wunden sitzen halt tiefer.»
«Und woher hat er die Golfbälle?», erkundigt sich Roni.
«Meine Frau spielt neuerdings Golf», erklärt mein Vater. «Da hat sie ihn manchmal mitgenommen, damit er ein bisschen Auslauf kriegt. Das geht natürlich nur, wenn man den Clubbesitzer kennt.»
Ich wundere mich über den scharfen Unterton.
Mein Vater räuspert sich. «Aber jetzt bleibt der Hund bei mir, wenn sie Golf spielt.»
Ein kurzer Moment Stille.
«So, dann wollen wir mal schauen, wie weit das Essen ist», verkündet meine Mutter. «Ihr habt doch bestimmt schon Hunger, oder?» Wieder ist sie in der Küche verschwunden, bevor jemand antworten kann.
«Irgendwas ist hier faul», flüstert Roni mir ins Ohr.
«Ach, Quatsch», beruhige ich sie. «Die sind bloß aufgeregt.»
Die Vorspeise nehmen wir im Wohnzimmer ein, an unserem alten Eichentisch, der auf einem neuen, blütenweißen Teppich steht. Es gibt Fingerfood: Mini-Mettbrötchen, Mini-Frikadellen und kleine Salamistückchen. Mein Vater öffnet eine Flasche Rotwein «zum Essen». Der Hauptgang besteht, wie vermutet, aus Hirsch, «selbst geschossen».
Das Fleisch ist zart, die Soße ein bisschen wacholdrig, das Rotkraut herrlich pikant. Roni, die wie ich noch immer pappsatt sein muss, lässt sich nichts anmerken und schluckt Gabel um Gabel tapfer herunter.
Beim Kauen beiße ich auf eine Schrotkugel. Kenne ich schon, kommt vor, bei selbst erlegtem Hirsch, meine neuen Münchener Keramik-Kronen halten das aus. Ich lasse die Kugel auf den Teller klimpern.
«Zum Glück war es kein Golfball», meint Roni.
Ich muss lachen. Sonst niemand.
Während des Essens bemüht sich mein Vater sichtlich um Roni, er fragt nach ihrem Studium der Brauereiwissenschaft in Weihenstephan und erzählt, dass er in seiner Beratungsstelle auch einige Alkoholiker betreut. Roni hört mit aufrichtigem Interesse zu, sie wollte früher selbst mal Sozialpädagogin werden, ist dann aber lieber «in die
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