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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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denn gar nicht mehr?»
    Er nimmt einen letzten Zug an der Zigarette, die bis zum Filter heruntergebrannt ist, und schnippt sie in den Garten.
    «Natürlich liebe ich sie noch.» Er atmet tief durch. «Dieser verschissene Golflehrer.»
    Das klingt eher, als käme es von Herzen und nicht aus einem Handbuch für Therapeuten.
    Im Wohnzimmer hält Roni meine Mutter im Arm. «Ist schon gut», sagt sie beruhigend wie zu einem Kind, das hingefallen ist. Als die beiden mich bemerken, macht meine Mutter sich los und steht auf.
    «Alles okay», meint sie, nimmt sich ein Papiertuch aus der Tissue-Box auf dem Wohnzimmertisch und schnieft. «Puh, das war jetzt ein emotionaler Durchbruch.» Sie wendet sich Roni zu und versucht ein Lächeln. «Entschuldige. Normalerweise heben wir uns so was für die zweite Sitzung, äh, den zweiten Besuch, auf.»
    «Lieber ein Anfang mit Schrecken», beginnt Roni. Und meine Mutter ergänzt: «als ein Schrecken für Anfänger. Möchte vielleicht jemand Nachtisch?»
    Sie verschwindet in die Küche, kommt kurz darauf mit hochgestecktem Haar und einem neuen Gesprächsthema zurück.
    «Hast du dir schon ein Brautkleid ausgesucht? Lass dir nicht von meinem Sohn einreden, dass du es selbst zahlen musst. Bei uns ist es Tradition, dass die Männer das übernehmen.»
    Mein Vater schluchzt lautlos. Ich lege ihm den Arm um die Schultern und gehe mit ihm neue Zigaretten holen. Den Hund nehmen wir mit.
    «Für den wird es auch nicht leicht», meint mein Vater, während Schröder mitten auf der unbefahrenen Hauptstraße sein Geschäft verrichtet. «Warum habe ich das bloß nicht früher gemerkt, mit diesem Fatzke? Wahrscheinlich habe ich mich zu sicher gefühlt. Wir schlafen jetzt in getrennten Betten. Ist vernünftiger so.»
    Was ist bloß mit seinem Selbstwertgefühl passiert? Mein Vater war früher durch nichts zu erschüttern. Er hat Tausenden Tiefenwalder Teenagern den Suizid aus Langeweile ausgeredet und ebenso viele Hausfrauen davon überzeugt, dass ihre Männer nur eine verschrobene Art haben, ihre Liebe zu zeigen. Und jetzt glaubt er sich selbst nicht mehr.
    Ich erzähle von meiner Eifersucht auf Ronis Exiltibeter. Er hört aufmerksam zu, wieder ganz in seiner sicheren Rolle als Therapeut. Als ich fertig bin, rät er mir, um meine Frau zu kämpfen. Ich rate ihm dasselbe.
    Später, im ehemaligen Ehebett meiner Eltern, liegen Roni und ich mit offenen Augen nebeneinander. Kommt wahrscheinlich vom Filterkaffee.
    «Deine Eltern sind schon speziell», meint Roni.
    «Echt? Ist mir gar nicht aufgefallen.»
    «Wie wird es wohl in vierzig Jahren um uns stehen?»
    «Na ja, wir werden glücklich irgendwo in Bayern leben, fernab von Golfplätzen und Schützenvereinen.»
    «Und was ist, wenn du plötzlich wieder nach Berlin willst? Wenn dir der Ehetrott zu viel wird?»
    «Ich bin keiner, der einfach so abhaut.»
    «Wir wollen uns versprechen, dass wir uns immer alles erzählen und keine Geheimnisse voreinander haben», sagt Roni.
    «Versprochen.»
    «Zahlst du echt mein Hochzeitskleid?»
    «Mhm», antworte ich und drehe mich auf die Seite.
    «Und hast du gefragt, ob dein Vater sich an den Kosten für die Feier beteiligt?»
    «Mhm.»
    «Und das heißt?»
    «Mache ich noch.»
    Als ich gerade einschlafen will, fragt Roni: «Warum bist du eigentlich damals nicht Grünkohlkönig geworden?»
    «Ach, lass doch.»
    «Nein, sag!»
    Ich seufze. «Ein Grünkohlkönig muss nicht nur am meisten Kohl mit Hirnwurst in sich hineinstopfen, er muss auch am härtesten feiern und als Letzter die Party verlassen.»
    «Und?»
    «Mir war so übel von dem Kohl und der Sauferei, dass ich an die frische Luft musste. Und da habe ich mich blöderweise im Wald verlaufen. Bin erst am nächsten Tag wiedergekommen, als die Party schon zu Ende war.»
    «Also bist du doch einer, der abhaut.»
    «Nein, bin ich nicht. Lass uns schlafen, ja? Wir müssen morgen fit sein.»
    «Waschtl?»
    «Mhm.»
    «Mir ist schlecht.»

WENN’S OASCHERL BRUMMT, IS’ HERZERL GSUND!
    (hochdeutsch: Hat hier jemand gepupst?)
    Beim Frühstück haben sich meine Eltern wieder gefangen. Mir dagegen brummt der Schädel, und ich freue mich auf einen Gang an der frischen Luft. Die Grünkohlwanderung soll um zehn Uhr vor dem Rathaus von Tiefenwalde beginnen. Jeder volljährige Teilnehmer bekommt einen «Bembel», einen Schnapsbecher aus Porzellan, den er sich an einer Schnur um den Hals hängen kann.
    Nachdem wir eine Stunde herumgestanden und auf Nachzügler gewartet haben, frage

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