Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
bedacht. «Den musst du dir noch erziehen», rät Tante Martha. Und Großtante Bettina: «Am besten, ihr streicht eure Wohnung mit abwaschbarer Farbe.»
«Wenn ihr ein Hochzeitsauto braucht – ich kann eins organisieren», bietet Cousin Mike an. «Solange Roni fährt.»
«Wann heiratet ihr denn?», fragt der kleine Benni.
«Im September», entgegne ich wahrheitsgemäß.
«Kein Problem, dann schwänze ich die Schule. Dürfen Jenny und ich Blumenkinder sein?»
«Äh, klar.»
«Wie machen wir das denn mit dem Fahren?», will Onkel Fritz wissen. «Das sind bestimmt sechs Stunden.»
«Vier», korrigiert Mike. Typisch.
«Vielleicht sollten wir einen Bus mieten», schlägt der Freund meiner Teenie-Cousine vor, der aussieht wie ein Fußballkapitän der A-Jugend.
«Bis dahin ist ja noch ein bisschen Zeit», meint Tante Martha. «Das kriegen wir schon hin.»
Niemand kommt auf die Idee, er könnte nicht auf der Gästeliste stehen.
Roni schaut mich eindringlich an. Also wechsele ich das Thema: «Als kleiner Junge wollte ich ja Oma heiraten.» Ich erzähle, wie ich ihr einen Heiratsantrag gemacht habe und Opa als Trauzeugen engagieren wollte. Der war einverstanden, aber dann wollte Oma doch nicht mehr.
Sie lächelt und legt Roni die Hand auf den Arm. «Hat dir Butzi schon erzählt, dass in unserer Familie traditionell die Männer das Brautkleid bezahlen?»
Klein Benni schüttelt den Kopf, woraufhin meine Oma mahnt: «Auch du wirst deiner Frau eines Tages ein Hochzeitskleid kaufen!»
«Da werde ich lieber schwul», verkündet Benni grinsend.
«Woher er das wieder hat? Sicher aus diesem Internet!» Meine Oma schaut ihn tadelnd an, winkt ab und schenkt Roni unaufgefordert den nächsten Kaffee ein. Nach der vierten Tasse ist auch mir schon ein wenig flau im Magen.
«Dass ihr immer so viel Kaffee trinken könnt!», wundere ich mich. Onkel Fritz schiebt seine Tasse näher an die Kanne und lehnt sich zurück.
«Och, acht Tassen machen mir keine Angst.»
Ronis Gesichtsfarbe hingegen wird langsam etwas gräulich. Oma streicht ihr mit einer Hand über die Wange. «Die roten Bäckchen kommen schon zurück. Spätestens, wenn du dir morgen deine erste Portion Grünkohl gegessen hat.»
Seltsamerweise sagt man in Tiefenwalde «Ich esse mir» und «Du isst dir». Ich habe mal besserwisserisch gefragt, wem man denn sonst essen sollte. Hat aber niemanden interessiert.
Meine Verwandten haben Lust bekommen, Roni den Grünkohl schmackhaft zu machen: «Doppelt so gesund wie Zitronen», höre ich von links, «doppelt so viel Vitamine», weiß ein anderer. «Und viel, viel mehr Mineralstoffe.» Benni ergänzt: «Grünkohl gibt Tinte auf den Füller.»
Als meine Oma mahnend den Zeigefinger hebt, erklärt er hastig: «Sagt Onkel Fritz.»
Der geht jetzt lieber mal raus, um eine zu rauchen.
«Ich bin ja gespannt, wer in diesem Jahr Grünkohlkönig wird», sagt Mike zu Roni. «Vielleicht versucht es dein Verlobter nochmal.»
«Nochmal?», hakt Roni nach. «Ich wusste gar nicht, dass du schon mal König warst.»
«Na ja», meint Mike, «war er auch nicht. Hat im letzten Moment einen Mega-Butzi gebaut. Aber davon soll er dir lieber selbst erzählen.»
«Noch jemand Kaffee?», frage ich und reiße die Kanne hoch.
Einer nach dem anderen lehnt ab. Die Gespräche verebben. Die großen Geschichten sind erzählt, allmählich macht sich Unruhe breit. Einige Verwandte stehen auf und beginnen, das Geschirr abzuräumen. Roni hilft mit. Auch ich will aufstehen, aber meine Oma legt ihre Hand auf meinen Arm. Sie ist nicht schwer, aber die Geste hat Gewicht.
«Warum feiert ihr denn nicht in Tiefenwalde? Wir können doch nicht mit der ganzen Familie nach Bayern kommen.»
Genau das hatte ich gehofft.
«Ach, Oma», sage ich. «Ronis Familie kommt halt aus Bayern.»
«Aber deine Familie kommt aus Tiefenwalde.»
«Na ja, unsere Freunde kommen auch aus München.»
«Blut ist dicker als Wasser.»
Das stimmt. Vor allem nach dem ganzen Filterkaffee.
«Lass mich das nochmal mit Roni besprechen», sage ich ausweichend.
«Du kannst es auch mit mir besprechen.»
Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, die Saalfrage zu klären. Wir müssen schnellstens zu meinen Eltern, bevor sich in Tiefenwalde herumgesprochen hat, dass ihr Sohn heiratet. Wenn es um die Verbreitung von Klatsch geht, funktioniert Tiefenwalde besser als jedes Online-Portal. Um sieben sollen wir bei meinen Eltern sein. Schon wieder zum Essen.
Wir verabschieden uns von allen mit
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