Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
kennenzulernen. Auch Carsten und ich haben uns einiges zu erzählen. Wir waren früher beste Freunde, bis wir, bis wir … «Ja, was ist eigentlich passiert?», frage ich ihn.
«Du bist abgehauen, und jetzt biste wieder da.»
Darauf stoßen wir an.
Nach dem Essen eröffnet der Wirt den Tanz, und ich werde beim ersten langsamen Oldie von Sandra aufgefordert. Sie legt ihre Arme um meinen Hals, ich meine Hände auf ihre breiten Hüften. Seltsam, dass sie sich so verändert hat, früher war sie ein richtiger Feger. Ich habe ja schon mal gehört, dass man sich nach der Hochzeit gehenlässt. Aber gleich so? Wie wird Roni wohl in zehn Jahren aussehen? Mich würde ja auch interessieren, wie meine anderen Exfreundinnen sich gehalten haben und ob die auch schon alle verheiratet sind. Aus den Augenwinkeln sehe ich eine junge Frau, die mir bekannt vorkommt. Nicht, dass ich mich für andere Frauen interessiere, aber rein interessehalber –
In dem Moment legt Sandra ihren Kopf an meine Schulter, was mich kurz aus dem Gleichgewicht bringt. Ich darf jetzt nicht mit ihr umkippen. Zum Glück kommt wenig später Rocky zum Abklatschen.
Gegen vier Uhr morgens, als die Party langsam abebbt, überreicht uns der Wirt, wie es das Zeremoniell verlangt, den Schlüssel zur Forstklause. Rocky, Sandra, Roni und ich sind die letzten Gäste. Wir schließen ab und verabschieden uns an der Kreuzung, an der links der Weg nach Tiefenwalde und rechts der nach Fahlenberg abzweigt. Diesmal trinken wir keinen Schnaps, die Stimmung ist schon feierlich genug.
«Mein Freund», sagt Rocky und umarmt mich.
«Bis bald», sagt Roni zu Sandra. Und die entgegnet: «Bis zu eurer Hochzeit.»
Als wir ein paar Meter gegangen sind, meint Roni: «Es ist doch schön, wenn man einen Menschen wiedertrifft, den man früher mal geliebt hat, oder?»
Ich sage nichts dazu. Ob sie wohl manchmal noch an Christoph denkt?
«Was machst du eigentlich, wenn ich so zunehme wie Sandra?», fragt Roni.
«Ach, ich finde es ganz schön, wenn Frauen ein paar Kurven haben», sage ich.
«Sonst hättest du auch nicht so eng mit ihr getanzt.»
Anscheinend hat der Alkohol sie ein bisschen streitlustig gemacht. Es ist noch nicht ganz hell. Ab und an stolpert Roni und stänkert, dass ich «meine Wurzeln» überall herumliegen lasse.
Mich interessiert vielmehr, was sie so alles mit meiner Familie zu bereden hatte. Schließlich hat Roni selbst mit Verwandten gesprochen, mit denen ich noch nie ein Sterbenswörtchen gewechselt habe.
«Es ging um die Hochzeit», lallt sie und stützt sich auf meinen Arm.
Jetzt komme ich doch nicht umhin, sie zu bewundern. «Alle Achtung», sage ich. «Du hast echt jedem Einzelnen persönlich erklärt, warum wir die Zahl der Gäste klein halten müssen?»
«Blödsinn», murmelt Roni und bleibt stehen. «Ich habe alle eingeladen. Auch deine Ex. Und Carsten. Ist ja jetzt auch meine Familie.»
FUIZFUIGFUI
(hochdeutsch: Viel zu viel Gefühl)
Am nächsten Morgen bringt uns der Wirt als Dankeschön noch einen Leinenbeutel mit Bregenwurst und ein paar Gläsern Grünkohl vorbei. Dann fahren Roni und ich los.
Kaum sind wir auf der Autobahn, bitte ich sie, unsere Gästeliste zusammenzuschreiben. Gemeinsam überlegen wir, welcher Cousin zehnten Grades zu Hause bleiben würde, streichen oberflächliche Bekannte von der Liste, beschließen unsere Vermieter nicht einzuladen und vollenden hundert Kilometer vor München das wertvolle Dokument. Darauf stehen insgesamt dreihundertundsieben Leute – und oben drüber: «Butzis Liste».
Nach zehn Stunden Fahrt kommen wir in unserer Straße an. Ich bin hundemüde und will nur noch ins Bett. Als ich in die Tiefgarage fahre, schaut Roni aus dem Fenster und meint: «Komisch, der Typ da an der Hauswand sah aus wie Christoph. Weißt schon, der aus Nepal.»
Mit einem Schlag bin ich hellwach. «Echt? Trug er Lederhaut und Dreadlocks bis zum Hintern?»
«Nee, der sah eher ganz gut aus. So wie früher.»
«Da hast du dich bestimmt vertan.»
Als wir aus der Tiefgarage kommen, sitzt Nepal-Christoph auf den Stufen zu unserem Hauseingang. Er trägt eine Wolljacke, eine Öko-Umhängetasche und schon wieder eine Rose. Roni lässt den Beutel mit der Wurst und den Grünkohlgläsern fallen.
Es klirrt.
«Chrissie?» Ihre Stimme bebt.
«Vero?»
Ich beschließe, den Grünkohl dranzugeben und einer Umarmung zuvorzukommen. «Sebastian», stelle ich mich vor und strecke meine Hand aus. Zwischen die beiden.
«Seid ihr …?» Seine
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