Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
zusammenreißen, sonst läuft das hier noch aus dem Ruder.
Christoph blättert in seinem schwarzen Buch zum hinteren Drittel. Er schlägt eine Seite mit einem Brautkleid auf. Ronis Augen funkeln.
«Schau mal», sagt sie mit einem Seitenblick zu mir. «Wie findest du das?»
«Sieht toll aus», muss ich zugeben. «Was soll es denn kosten?»
«Für euch würde ich natürlich einen Sonderpreis machen.»
Ich wiegele ab.
«Wenn das Geld armen Menschen zugutekommt, will ich den vollen Preis zahlen.»
«Du bist ein guter Mensch. Sagen wir 10 000 Euro», sagt Christoph. «Fair Trade ist teuer. Und das hier ist Fair Trade Haute Couture.»
Roni schaut immer noch mit leuchtenden Augen das Brautkleid an. Und dann mich.
«Mhm», sage ich vieldeutig. Christoph und Roni antworten gleichzeitig: «Danke.»
Allerdings hängt die Idee mit der Modenschau an einem seidenen Faden: Da Christoph sein ganzes Vermögen in die Produktion gesteckt hat, konnte er den Transport der Sachen nach Deutschland nicht mehr bezahlen. Ein befreundeter Händler hat ihm versprochen, seine Kollektion unter einer Ladung Billigware durch den Zoll zu schmuggeln.
«Das merken die Beamten nie im Leben. Die können ja Haute Couture nicht von Prêt-à-porter unterscheiden. Und wenn die Sachen hier sind, gehört die Modewelt den Kindern von Nepal», sagt Christoph mit Gutmenschblick.
Wenig später werde ich zur Tankstelle geschickt, um neues Bier zu holen. Als ich wiederkomme, steht er hinter Roni, seine Hände liegen auf ihren Hüften.
«Das ging jetzt aber schnell», finde ich.
«Eigentlich solltest du das gar nicht sehen», stottert Roni.
«Eigentlich solltet ihr das gar nicht machen.»
Roni verdreht die Augen. «Wir probieren das Hochzeitskleid an, du Depp.»
Jetzt erkenne ich, dass Christoph ein Maßband in der Hand hält. Als Nächstes vermisst er Ronis Busen.
«Es ist wunderbar», murmelt er dabei. «Als hätte ich es nur für dich entworfen.»
Ich räuspere mich.
«Gute Nachrichten», meint er und schaut mich triumphierend an. «Das Original wird Vero perfekt passen. Ich könnte es dir für 9500 geben, und keiner muss leiden.»
«Ach, weißt du, wer schön sein will, muss leiden», fasele ich und verliere auch noch die dritte Runde wegen schlecht platzierter Sprüche.
BAGGMA’S 1
(hochdeutsch: Wir packen es an 1)
Sicherheitshalber sage ich statt «Roni» und «ich» jetzt lieber «wir». Wir haben ein Brautkleid ausgesucht, jetzt müssen wir nur noch den perfekten Ort zum Heiraten finden. Der erste Kandidat auf unserer Liste ist ein Gasthof am Ichtlfinger See. Der Besitzer, ein aus Hessen zugezogener Klamotten-Bayer, zeigt uns den großen Saal, das benachbarte Spielzimmer für die Kinder, die Bühne und einen kleinen Biergarten unter einer Eiche, wo wir bei schönem Wetter draußen sitzen können. Mir gefällt das Anwesen sehr, der Wirt versteht hochdeutsch, und unser Wunschtermin, der 13. September, ist auch noch frei.
«Sogar eine Bar zum Versacken haben Sie hier!», freue ich mich.
«Versackt wird hier nicht», antwortet der Wirt. «Um Mitternacht machen wir das Licht aus. Wegen der Anwohner.»
«Dann können wir ja den ganzen Abend Mord im Dunkeln spielen», flüstert mir Roni ins Ohr.
Wir schütteln den Kopf und wenden uns zum Gehen.
«Tschüss» sagt der Wirt; es klingt wie «Schiss».
Die nächste Station ist ein traumhaftes Schloss bei Tennling. «Unser Haus ist so beliebt», prahlt der Schlossherr, «dass hier immer mehrere Hochzeiten gleichzeitig stattfinden.»
«Also kann es sein, dass draußen beim Empfang drei Bräute herumlaufen?», will Roni wissen.
«Das wird sogar garantiert so sein. Da hat der Bräutigam freie Wahl, hahaha.»
«Das ist nichts für uns», bestimme ich. «Bei unserer Hochzeit soll es nur eine Braut geben.»
Und so geht es weiter: Eine malerische alte Mühle, so idyllisch, dass sie schon fast kitschig wirkt, wäre perfekt, ist nur blöderweise für die nächsten zweihundert Jahre ausgebucht. Das Vereinsheim der «Steppbrothers», einer Schuhplattlerformation, in der auch James tanzt, sieht zwar herrlich rustikal aus, es gibt auch keine Sperrstunde, bloß haben Frauen dort keinen Zutritt. Ein absoluter Reinfall.
Auf dem Weg nach Hause schauen wir spontan bei Regina und Knoll vorbei. Sie sitzen bei Kaffee und Kuchen in der Küche auf der Eichenholz-Eckbank. Auf meinem Stammplatz neben Knoll hockt –
«Christoph.» Roni schaut ihn verdattert an. «Was machst du denn hier?»
«Ach, ich war in
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