Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
Augen wandern von Roni zu mir und bleiben an Ronis Gesicht hängen. Er schaut sie an, als habe er ihr zu Ehren in Nepal einen Schrein errichtet.
«Ja!», sage ich. «So gut wie verheiratet.»
«Das ist ja toll!» Christoph lässt meine Hand los, den Rest von mir links liegen und umarmt Roni innig.
Die ist plötzlich wie erstarrt.
Für jemanden, der herzliche Umarmungen nicht einmal von Verwandtschaftsseite duldet, bleibe ich ruhig. Fünf Sekunden lang.
«Ja, war schön, dich mal gesehen zu haben», leite ich die Verabschiedung ein.
«Warum bist du damals einfach …?», bricht es aus Roni heraus. Christoph senkt schuldbewusst den Kopf.
«Ich kann dir das alles erklären. Darf ich mit raufkommen?»
«Nein», sage ich.
«Ja», sagt Roni.
Christoph will auch gar nicht stören, wir seien ja gerade erst nach Hause kommen.
«Du störst nie», behauptet Roni.
Ich dagegen finde, er stört immer. Aber mich fragt ja keiner. Christoph nimmt Roni die Tasche ab, sie sperrt die Tür auf.
Wie ein Welpe nach Weihnachten werde ich auf der Straße zurückgelassen. In einem Scherbenhaufen, der nach Grünkohl mit Bregenwurst riecht.
MIA DOUT’S NOCH DIA
(hochdeutsch: Ich habe dich vermisst)
Roni bittet Christoph ins Wohnzimmer und verschwindet kurz ins Bad, um sich frisch zu machen. Er setzt sich auf unsere Couch. Höchste Zeit, ein paar Dinge klarzustellen. «Das ist mein Platz!», sage ich. Christoph rückt zur Seite. «Das war bildlich gemeint.»
«Ich will dir doch nichts Böses», sagt der Schönling mit Yogalehrerstimme und lächelt ein editorialreifes Lächeln. «Wäre nicht gut fürs Karma.»
«Vor allem wäre das nicht gut für dich», stänkere ich.
«Eifersüchtig?» Christoph lächelt noch breiter. Seine Zähne strahlen, als wären auch sie erleuchtet worden.
«Hey, das mit Vero ist ewig her. Peace?» Er streckt mir seine Hand entgegen.
Habe ich mich kindisch verhalten? Hat nicht jeder Mensch eine Vergangenheit? Und hat nicht ein alter chinesischer Kriegsherr gesagt, man solle seine Feinde dort halten, wo man sie sehen kann?
«Okay», sage ich und ergreife seine Hand. In dem Moment kommt Roni rein.
«Oh, toll, ihr habt euch angefreundet.»
«Du siehst super aus», sagt Christoph, kurz bevor ich das sagen kann.
Roni errötet.
«Was willst du eigentlich hier?», frage ich.
«Alle Wege führen nach Roni», scherzt Christoph.
«Zu Roni», korrigiere ich und verliere die erste Runde wegen Wortspießerei.
Christoph bittet uns, Platz zu nehmen. Er will uns etwas zeigen. Aus seinem Umhängebeutel holt er ein riesiges schwarzes Buch. Darauf steht in Lackdruck, der sich glänzend schwarz von der mattschwarzen Pappe abhebt: «Chris Nepal».
«Mein Label», flüstert er. «Weißt du noch, dass ich immer hin und her gerissen war zwischen Modedesign und Sozialpädagogik? Dass ich nie wusste, ob ich die Menschen besser oder schöner machen soll? Ich habe einen Weg gefunden, das eine mit dem anderen zu verbinden.»
Er erzählt, er habe in Nepal eine Textilfabrik gegründet, in der Straßen-und Waisenkinder eine Schneiderlehre machen können. Seine Klamotten werden unter besten Bedingungen für fairen Lohn geschneidert und sehen gar nicht so ethnomäßig aus, wie ich gehofft hatte; eher stylish, wie sich Pete Doherty anziehen würde, wenn er wandern ginge.
Dann greift Christoph erneut in die Tasche und zieht zwei schwarze Karten heraus. Darauf steht: fashion show/munich/september 1st/queens club .
Roni hat ihn die ganze Zeit nur schweigend angesehen.
«Und, was sagst du?», will Christoph jetzt von ihr wissen.
Sie schüttelt den Kopf, als müsse sie unangenehme Erinnerungen verscheuchen.
«Das ist toll. Toll, dich zu sehen», sagt sie langsam und sieht mich dabei forschend an.
«Ja, super», bestätige ich tonlos. «Bestimmt lädt dich der Dalai Lama als Dank für die Aktion zum Tee ein.»
«Daran habe ich auch schon gedacht.»
Zu seiner Show hat Christoph Fashionredakteure renommierter Modemagazine eingeladen. Für Models, Catering und Ausstattung sind allerdings seine gesamten Ersparnisse draufgegangen. Roni nickt nachdenklich.
«Also geht es um Knopf und Kragen.»
Wenn Christoph gute Presse kriegt und viel verkauft, will er eine zweite Modenschau organisieren, in Berlin.
«Mit dem Erlös der Verkäufe möchte ich den Arbeitern in meiner Fabrik ein besseres Leben ermöglichen.»
«Das sagtest du bereits», bemerke ich und verliere die zweite Runde wegen Kleinlichkeit. Ich muss mich echt
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