Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
den Blumen die Blüten ab und rufen laut lachend in die Stille: «Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht.»
Ronis Blick gleitet suchend über die Bänke, bleibt an mir hängen, streift meinen Anzug. Ihre tollen Augen werden noch ein bisschen größer. Ihr Lächeln auch. Dann schlagen die Kirchenglocken endlich elf Uhr. Sobald sie verklungen sind, wird Knoll Roni durch den Mittelgang zum Altar führen, ganz gleich, ob Regina da ist oder nicht.
Aber die wird doch die Hochzeit ihrer Tochter nicht für einen Gartenpreis sausenlassen!
Ich wende mich an den Priester. «Wird die Schwiegermutter hier vielleicht auch entführt?» Aber der schüttelt nur den Kopf und raunt: «Mia san ned lebensmiad.»
Ein letzter Glockenschlag, dann ist es still. Ich sehe den Priester an. Der nickt mir zu und deutet mit dem Zeigefinger auf einen der grünen Fußhocker. Ich setze mich drauf. Er räuspert sich und murmelt: «Knian.» Ach so.
Die Orgel setzt wieder ein. Ich drehe mich um.
Unendlich langsam führt Knoll Roni durch den Gang zum Altar, derart schleppend, dass die Blumenkinder so tun, als würden sie die beiden von hinten anschieben. Aber Knoll und Roni wollen ja nur Zeit für Regina schinden.
Vorn angekommen, übernimmt der Priester Ronis Hand. Sie kniet sich neben mich. Jochen gibt dem Priester die Ringe, der drapiert sie auf einem Kissen. Als der letzte Orgelton verhallt, wird es still in der Kirche.
«Ich dachte schon, du wärst entführt worden», flüstere ich meiner Braut zu. Sie lächelt.
«Werde ich vielleicht auch noch. Aber erst, wenn wir verheiratet sind.» Dann schaut sie auf meine Krawatte. «R – wie Roni», flüstert sie.
«Gefällt dir mein Anzug?», frage ich
Sie nickt. «Böse Menschen kennen keinen Flieder.»
«Pscht!», macht der Priester, und wir blicken nach vorn. Ist ja wie in der Schule.
«Schee, des fast oi da san», sagt er, breitet die Arme aus und segnet die Anwesenden, «aa die wo koa Katholiken san». Dann beten alle gemeinsam das Vaterunser. Die erste Zeile klingt auf Bairisch etwa so:
«Unsa Vadta im Himmei, gheiligt soi wearn dei Name.»
Im Gemurmel jedoch fügen sich Norddeutsch und Bairisch ausnahmsweise nahezu reibungslos ineinander. Ich sehe, dass Roni ihre Lippen bewegt. Auch ich erinnere mich noch an die Worte und spreche sie im Geiste mit. Hört ja keiner.
Nach dem Vaterunser segnet der Priester die Ringe. Dann wendet er sich an uns: «Mia san hoit hia zamm’ kimma, um die Roni und den Waschtl in den heiligen, katholischen Bund der Ehe zu bringa.» Er räuspert sich. «Seids freindlich zueinand’. Bleibts offen fia des, wos ia morgn sei kennts. Engts aich ned ei, gebts einanda die Freiheit, die ia brauchts. Allmächdga, eaboam di unsa.»
Nanu? Worte wie «Freiheit» hätte ich von einem katholischen Priester nicht erwartet. Der Rest der Gemeinde offenbar schon, denn von hinten höre ich aus vielen Mündern ein routiniertes «Herr, erbarme dich unser».
«Wenn mia amoi grantlig san, zoag uns an Weg. Wenn mia uns amoi ned einig san, loss ned zua, des die Freid om Zammsein eastickt wead. Wenn mia auf de Gant kemma, loss uns zammhoitn. In guadn wie in schlechtn Zeitn. Christus, eaboam di unsa.»
Das kann ich unterschreiben. Deshalb murmele ich leise mit den anderen: «Christus, erbarme dich unser.»
Der Priester sieht mich erstaunt an und flüstert: «Des brauchst fei ned sogn, ge!» Dann spricht er laut weiter. «Schenkst uns a Zeit und a Fantasie, ge; damit mia einand die Liab bringa kenna. Huifst uns, einanda zu liabn, wenn mia uns ned donach fuin. Und gibst uns an Vertraun in einand, wenn mia zweifein. Herr, eaboam di unsa.»
Nicht dass ich jetzt Katholik werden will, dennoch stimme ich wie von selbst ein, als die Gemeinde zum dritten Mal bittet: «Herr, erbarme dich unser.»
Der Priester schaut mich an und nickt kaum merklich. Vor der Kirche hupt ein Auto. Kurz darauf wird die Kirchentür aufgestoßen. Alle Köpfe drehen sich um.
Im Eingang steht Regina.
«Mama!», ruft Roni erleichtert. «Wir haben gerade von dir gesprochen. Wo warst du denn?»
«Nicht da, wo ich sein sollte», sagt Regina und eilt zum Altar. «Darf ich?»
Sie nimmt dem Priester das Mikrophon aus der Hand.
«Mia hom hoit an Gastredner», verkündet er und tritt einen Schritt beiseite, neben mich.
Regina wendet sich an die Gemeinde. «Entschuldigt bitte, dass ich zu spät bin», beginnt sie. «Ich hatte alles so gut geplant, aber dann sind die Juroren nicht …» Sie bricht mitten im Satz ab und
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