Jack McEvoy 01 - Der Poet
Thorsons Sicht der Dinge an. Das Risiko seines Entkommens wog wesentlich schwerer als die Erkenntnisse, die man vielleicht gewinnen konnte, wenn man ihn bei seinen verbrecherischen Handlungen beobachtete.
»Also, Leute, der Plan steht fest«, sagte Backus schließlich und beendete damit die Diskussion. »Wir haben die vorgeschlagenen Alternativen erwogen, und ich bin der Ansicht, dass der Plan, den wir ausgearbeitet haben, die beste und sicherste Methode ist. Also machen wir weiter. Rachel, was haben Sie für Neuigkeiten?«
»Lassen Sie mich mit der Bank anfangen«, antwortete sie. »Ich habe die Unterlagen erst vor anderthalb Stunden bekommen. Aber auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte es Überweisungen in drei unserer Städte gegeben. Chicago, Denver und L. A. Die Daten passen. Er erhielt das Geld in diesen Städten innerhalb von Tagen kurz vor oder nach dem jeweiligen Ködermord. Es gibt zwei Überweisungen nach L. A. Eine fällt zeitlich mit der Kaution vorige Woche zusammen, und dann wurden am Samstag weitere zwölfhundert überwiesen. Und zwar an dieselbe Bank, eine Filiale von Wells Fargo am Ventura Boulevard in Sherman Oaks. Das ist vielleicht eine andere Möglichkeit, ihn zu ergreifen, falls er morgen nicht auftaucht, um seine Kamera abzuholen. Wir könnten die Beute überwachen und eingreifen, wenn er das nächste Mal Geld abheben will. Das Problem ist nur, dass er ziemlich knapp bei Kasse ist. Nach der Überweisung der zwölfhundert hat er nur noch ungefähr zweihundert Dollar auf dem Konto.«
»Sobald er die neue Kamera hat, will er ja sein Konto wieder auffüllen«, warf Thorson ein.
»Kommen wir zu den Eingängen«, fuhr Rachel fort. »Die sind sehr interessant, aber ich hatte einfach noch keine Zeit ... Äh, in den letzten beiden Jahren sind rund fünfundvierzigtausend Dollar auf das Konto überwiesen worden, und zwar von überall her. Maine, Texas, California - mehrere aus California, New York. Es scheint kein unseren Morden entsprechendes Muster zu geben. Außerdem habe ich eine Überschneidung gefunden. Im November letzten Jahres sind am selben Tag eine Überweisung aus New York und eine aus Texas eingegangen.«
»Er nimmt die Überweisungen offensichtlich nicht selbst vor«, sagte Backus. »Oder jedenfalls nicht alle.«
»Das sind Honorare«, sagte Brass über die Konferenzleitung. »Aus dem Verkauf der Fotos. Honorare, die von den Käufern überwiesen wurden.«
»Richtig«, sagte Rachel.
»Werden wir ... können wir diesen Überweisungen nachspüren und mit ihrer Hilfe an die Käufer herankommen?«, fragte Thompson.
»Wir können es zumindest versuchen«, antwortete Rachel, als sonst niemand reagierte. »Ich meine, wir können sie zurückverfolgen, aber ich glaube nicht, dass viel dabei herauskommen wird. Wenn man Bargeld hat, kann man von fast jeder Bank im Land aus eine Kabelüberweisung veranlassen, solange man die Nummer des Empfängerkontos weiß und die anfallenden Gebühren bezahlt. Man muss zwar seinen Namen angeben, aber man braucht sich nicht auszuweisen. Leute, die Kinderpornografie und möglicherweise noch viel Schlimmeres kaufen, benutzen vermutlich falsche Namen.«
»Das stimmt.«
»Und sonst, Rachel?«, fragte Backus. »Haben Sie sonst noch etwas herausgefunden?«
»Es gibt ein Postfach für die Kontoauszüge. Hier in Jacksonville. Darum werde ich mich gleich morgen früh kümmern.«
»Okay. Wollen Sie jetzt gleich über Horace Gomble berichten?«
»Ja, aber es hat nichts Besonderes gegeben. Mein alter Freund Horace war gar nicht glücklich, mich wieder zu sehen. Wir tanzten eine Weile umeinander herum, dann gewann sein Ego die Oberhand. Er gab zu, dass er und Gladden im Gefängnis über Hypnosepraktiken gesprochen haben. Er gestand schließlich, dass er Gladden im Austausch für seine juristische Hilfe Lektionen erteilt hat. Aber weiter wollte er nicht gehen. Ich spürte ... ach, ich weiß nicht.«
»Was, Rachel?«
»Ich kann es nicht genau sagen. Ich spürte eine Art Bewunderung für das, was Gladden tut.«
»Sie haben es ihm erzählt?«
»Nein, erzählt habe ich es ihm nicht, aber für ihn schien auf der Hand zu liegen, dass ich aus einem bestimmten Grund gekommen war. Und es sah aus, als wüsste er noch etwas mehr. Vielleicht hatte ihm Gladden von seinen Plänen erzählt, bevor er Raiford verließ. Ihm von Beltran erzählt. Ich weiß es nicht. Es kann auch sein, dass er heute CNN gesehen hat, wenn die Zellen Kabelanschluss haben. Sie haben Jack
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