Jack McEvoy 01 - Der Poet
offensichtlich.
»Vielleicht«, sagte sie. »Aber ich glaube, das ist etwas, worum sich die Agenten in Florida kümmern können. Ich bin die leitende Agentin in diesem Fall. So war es doch, nicht wahr, Bob?«
»Ja, so war es.«
Danach herrschte ein paar Minuten lang Schweigen. Den größten Teil dieser Zeit verbrachte ich damit, aus dem Fenster zu schauen. Als ich spürte, dass sich die Spannung ein wenig gelockert hatte, sah ich Rachel an und zog die Brauen hoch. Sie hob die Hand, um mein Gesicht zu berühren, überlegte es sich dann aber anders und ließ sie wieder sinken.
»Der Bart ist ab.«
»Ja.«
Backus drehte sich um und sah mich an, dann wandte er sich wieder nach vorn.
»Es war mir doch auch irgendetwas anders vorgekommen«, sagte er.
»Warum?«, fragte Rachel.
Ich zuckte die Achseln.
»Weiß nicht.«
Eine Stimme kam knisternd aus dem Funkgerät.
»Kunde.«
Carter griff nach dem Mikrofon und fragte: »Wer?«
»Weißer Mann, über zwanzig, blonde Haare, trägt einen Karton bei sich. Kein Fahrzeug gesichtet. Er geht entweder zu Data oder nach nebenan, um sich die Haare schneiden zu lassen. Er könnte einen Haarschnitt brauchen.«
Direkt neben Data Imaging Answers gab es einen Friseursalon.
»Er geht hinein.«
Ich beugte mich über die Lehne, um auf den Monitor schauen zu können. Der Mann mit dem Karton betrat den Laden. Die Bildauflösung war zu grobkörnig, um feststellen zu können, ob es sich um Gladden handelte oder nicht. Ich hielt den Atem an, wie bisher jedes Mal, wenn ein Kunde den Laden betreten hatte. Der Mann steuerte direkt auf den Schreibtisch zu, an dem Thorson saß. Ich sah, wie Thorson seine rechte Hand in die Taille stützte, damit er notfalls sofort seine Waffe ziehen konnte.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
»Ja. Ich vertreibe Monatsplaner.« Er machte Anstalten, in den Karton zu greifen. Thorson versuchte, ihn daran zu hindern. »Ihre Nachbarn ringsum nehmen auch immer jede Menge.«
Thorson hielt den Arm des Mannes zurück. Dann kippte er den Karton so, dass er hineinschauen konnte.
»Kein Interesse«, sagte er, nachdem er den Inhalt inspiziert hatte.
Der Vertreter schien ein wenig bestürzt von Thorsons heftiger Art, erholte sich aber schnell und fuhr mit seinen Anpreisungen fort.
»Wirklich nicht? Nur zehn Dollar. So etwas kostet im Laden sonst dreißig oder fünfunddreißig Dollar. Es ist feinstes Kunstleder, und ...« »Kein Interesse. Vielen Dank.«
Der Vertreter wandte sich an Coombs, der an dem anderen Schreibtisch saß.
»Was ist mit Ihnen, Sir? Lassen Sie mich Ihnen das Luxus- mo ...«
»Wir sind nicht interessiert«, bellte Thorson. »Und jetzt verlassen Sie bitte den Laden, wir haben zu tun. Vertreter sind hier unerwünscht.«
»Ja, das merke ich. Einen schönen Tag noch, die Herren.«
Der Mann verließ den Laden.
»Leute gibt’s«, sagte Thorson.
Er schüttelte den Kopf und setzte sich wieder hin. Dann sagte er nichts mehr. Dann gähnte er. Das löste auch bei mir ein Gähnen aus, und Rachel steckte sich an.
»Die Anspannung geht Gordo auf die Nerven«, bemerkte Backus.
Mir ging es nicht anders. Ich brauchte einen Schuss Koffein. In der Redaktion hätte ich um diese Tageszeit bereits mindestens sechs Tassen Kaffee getrunken.
Ich öffnete die Tür.
»Ich gehe Kaffee holen. Wollen Sie auch einen?«
»Sie werden alles verpassen, Jack«, scherzte Backus.
»Ja, bestimmt. Langsam begreife ich, wieso so viele Polizisten Hämorrhoiden bekommen. Sitzen den ganzen Tag da und warten auf nichts.«
Ich stieg aus, und als ich mich streckte, knackten meine Knie. Carter und Backus wollten keinen Kaffee. Rachel sagte, sie hätte gern einen Becher. Ich hoffte, sie würde nicht sagen, sie käme mit. Zum Glück tat sie es nicht.
»Wie möchten Sie ihn?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort kannte.
»Schwarz«, antwortete sie, über meine Schauspielerei lächelnd.
»Okay. Bin gleich wieder da.« Mit vier Bechern schwarzem Kaffee in einem kleinen Karton trat ich durch die Tür von Data Imaging Answers und sah als Erstes Thorsons entsetztes Gesicht. Noch bevor er etwas sagen konnte, begann das Telefon auf seinem Schreibtisch zu läuten. Er nahm den Hörer ab und sagte: »Ich weiß.«
Er streckte mir den Hörer entgegen.
»Für Sie, Sportsfreund.«
Es war Backus.
»Jack, verlassen Sie sofort den Laden!«
»Gleich. Ich wollte den beiden nur einen Kaffee bringen. Sie haben doch gesehen, dass Gordo bald einschläft, es ist so langweilig hier.«
»Sehr
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