Jack McEvoy 01 - Der Poet
einmal nachschauen. Es sind da drei Anrufe aufgeführt, kurz nach Mitternacht in der Nacht zum Sonntag, an die ich mich einfach nicht erinnern kann. Ich habe mir die Nummern irgendwo notiert - ah, hier sind sie.«
Ich nannte ihr rasch die drei Nummern, die ich von der Visa-Sachbearbeiterin bekommen hatte, und hoffte, dass sie mir meine Schauspielerei nicht anmerkte.
»Ja, die stehen auf Ihrer Rechnung. Sind Sie sicher, dass Sie ...«
»Wann sind die Anrufe genau erfolgt? Sehen Sie, das ist das Problem. Ich pflege meine Geschäfte nicht mitten in der Nacht zu erledigen.«
Sie nannte mir die Zeiten. Der Anruf nach Quantico war um 0.37 Uhr, der bei Warren um 0.41 Uhr und der bei PTL Network um 0.56 Uhr erfolgt. Ich notierte alles.
»Sie glauben nicht, dass Sie diese Anrufe getätigt haben?«
»Wie bitte?«
»Ich sagte, Sie glauben nicht, dass Sie diese Anrufe getätigt haben?«
»So ist es.«
»War sonst noch jemand in Ihrem Zimmer?«
Das ist der entscheidende Punkt, dachte ich, sprach es aber nicht aus.
»Äh, nein«, sagte ich, und setzte dann schnell hinzu: »Wäre es möglich, dass Sie das noch einmal überprüfen? Und falls mit Ihren Apparaten alles in Ordnung ist, werde ich die Gespräche selbstverständlich bezahlen. Vielen Dank.«
Ich legte auf und sah mir die Zeiten noch einmal genau an. Sie passten. Rachel war bis kurz vor Mitternacht in meinem Zimmer gewesen. Am nächsten Morgen hatte sie mir erzählt, dass sie auf dem Weg zu ihrem Zimmer auf dem Korridor mit Thorson zusammengestoßen sei. Vielleicht hatte sie mich belogen. Vielleicht hatte sie mehr getan, als nur mit ihm zusammenzustoßen. Vielleicht war sie in sein Zimmer gegangen.
Da Thorson tot war, gab es - abgesehen davon, Rachel zur Rede zu stellen, wozu ich mich noch nicht imstande fühlte - nur eine Möglichkeit, diese Theorie weiterzuverfolgen. Ich nahm abermals den Hörer ab und wählte die Nummer des FBI-Büros im Bundesgebäude. Die Telefonistin stellte mich erst zu Backus durch, nachdem ich ihr gesagt hatte, dass ich der Mann sei, der den Poeten getötet hatte, und dass ich unbedingt dringend mit dem Special Agent sprechen müsste. Endlich hatte ich Backus am Apparat.
»Jack, was gibt’s?«
»Bob, hören Sie mir für einen Moment zu. Es ist sehr wichtig. Sind Sie allein?«
»Jack, was ...«
»Bitte beantworten Sie meine Frage! Entschuldigen Sie, ich wollte nicht laut werden. Ich habe gerade ... Bitte, sagen Sie mir zuerst, ob Sie allein sind.«
Er zögerte, und als er antwortete, klang seine Stimme skeptisch.
»Ja. Aber worum geht es?«
»Wir haben schon mehrfach über das gegenseitige Vertrauen in unserem Verhältnis geredet. Jetzt möchte ich, dass Sie mir abermals vertrauen, Bob, und während der nächsten paar Minuten nur meine Fragen beantworten, ohne selbst Fragen zu stellen. Ich werde Ihnen später alles erklären. Okay?«
»Jack, ich habe sehr viel zu tun. Ich ver ...«
»Fünf Minuten, Bob. Mehr nicht. Es ist wichtig.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Was ist mit Thorsons Sachen passiert? Mit seiner Kleidung und den Sachen aus dem Hotel? Wer hat sie bekommen, nachdem er ... gestorben war?«
»Ich habe gestern Abend alles zusammengepackt. Ich verstehe nicht, was das soll. Sein Eigentum geht niemanden etwas an.«
»Bitte, Bob. Hier geht es nicht um eine Story. Es geht um mich. Und um Sie. Ich habe noch zwei Fragen. Erstens, haben Sie bei seinen Sachen die Hotelrechnungen aus Phoenix gefunden?«
»Aus Phoenix? Nein, die waren nicht dabei, und das ist auch ganz natürlich. Wir sind vor unserer eiligen Abreise nicht mehr in das Hotel zurückgekehrt. Ich bin sicher, dass die Rechnungen an mein Büro in Quantico geschickt worden sind. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Jack?«
Das erste Teilchen fügte sich ins Bild. Wenn Thorson die Rechnungen nicht gehabt hatte, hatte er sie vermutlich auch nicht aus meinem Zimmer geholt. Der Verdacht fiel abermals auf Rachel. Es konnte nicht anders sein. In der ersten Nacht in Hollywood war sie, nachdem wir uns geliebt hatten, als Erste aufgestanden. Dann hatte ich geduscht. Mit Leichtigkeit hätte sie den Zimmerschlüssel aus meiner Hosentasche holen, nach unten gehen und mein Zimmer durchsuchen können. Vielleicht wollte sie sich nur umsehen. Vielleicht wusste sie aber auch irgendwoher, dass ich die Hotelrechnungen hatte.
»Nächste Frage«, sagte ich zu Backus, seinen Einwurf ignorierend. »Haben Sie bei Thorsons Sachen Kondome gefunden?«
»Hören Sie, ich weiß nicht,
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