Jack McEvoy 01 - Der Poet
sich auf diese Weise erinnern?«
»Mich hypnotisieren? So etwas tun die?«
»Manchmal. Wenn es wichtig ist.«
»Also, wenn es wichtig ist, würde ich es wohl tun.«
Wir waren inzwischen vor der Hütte angekommen. Ich schaute zum Parkplatz hinüber.
»Das andere, was ich Sie fragen wollte, betrifft den zeitlichen Ablauf. Im Polizeibericht steht, dass Sie den Wagen nur fünf Sekunden, nachdem Sie den Schuss gehört hatten, im Blickfeld hatten. Und bei nur fünf Sekunden ist es ausgeschlossen, dass jemand aus dem Wagen und in den Wald hätte flüchten können, ohne von Ihnen gesehen zu werden.«
»Richtig. Völlig ausgeschlossen. Ich hätte ihn gesehen.«
»Okay, aber was ist mit danach?« »Wonach?«
»Nachdem Sie zu dem Wagen gerannt sind und gesehen ha ben, dass der Mann tot ist. Neulich haben Sie mir erzählt, Sie wären hierher zurückgerannt und hätten telefoniert.«
»Ja, ich habe neun eins eins angerufen und meinen Boss.«
»Also waren Sie hier in dieser Hütte und konnten den Wagen nicht sehen, richtig?«
»Richtig.«
»Für wie lange?«
Pena nickte. Er begriff, worauf ich hinauswollte.
»Aber das spielt doch keine Rolle, weil er allein in dem Wagen saß.«
»Ich weiß, aber antworten Sie mir bitte trotzdem. Wie lange?«
Er zuckte die Achseln, als wollte er sagen: na wenn schon. Dann ging er in die Hütte und deutete ein Abheben des Telefonhörers an.
»Bei neun eins eins bin ich sofort durchgekommen. Das ging sehr schnell. Sie haben meinen Namen notiert und was ich zu melden hatte, und das dauerte eine kleine Weile. Dann rief ich im Büro an und fragte nach Doug Paquin, das ist mein Boss. Ich sagte, es handele sich um einen Notfall, und sie stellten mich sofort zu ihm durch. Er meldete sich, und ich berichtete ihm, was passiert war, und er sagte, ich solle hinausgehen und den Wagen im Auge behalten, bis die Polizei eingetroffen sei. Das war’s. Danach bin ich wieder hinausgegangen.«
Ich gelangte zu dem Schluss, dass er den Caprice vermutlich mindestens dreißig Sekunden lang nicht im Auge gehabt hatte.
»Als Sie das erste Mal hinausrannten, haben Sie da alle Türen überprüft, um zu sehen, ob sie verriegelt waren?«
»Nur die Fahrertür. Aber sie waren alle verriegelt.«
»Woher wissen Sie das?«
»Als die Cops ankamen, haben sie sie alle ausprobiert, und sie waren zu. Sie mussten sie mit einer Art Spezialschlüssel öffnen.«
Ich nickte und fragte: »Was ist mit den Rücksitzen? Sie sagten gestern, die Scheiben seien beschlagen gewesen. Haben Sie genau auf die Rücksitze geschaut? Auf den Boden davor?«
Jetzt begriff Pena. Er dachte einen Moment lang nach, dann schüttelte er verneinend den Kopf.
»Nein, ich habe nicht direkt in den hinteren Teil des Wagens geschaut. Ich nahm einfach an, da wäre nur der eine Mann.«
»Haben die Cops Ihnen diese Fragen auch gestellt?«
»Nein, nicht direkt. Aber ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.«
Ich nickte.
»Eine letzte Frage. Als Sie neun eins eins anriefen, haben Sie da gesagt, jemand habe sich umgebracht oder nur, dass Sie jemanden erschossen aufgefunden hätten?«
»Ich ... Ja, ich sagte, jemand hätte sich erschossen. Ja, das habe ich gesagt. Ich nehme an, es gibt eine Aufzeichnung von dem Gespräch.«
»Vermutlich. Ich danke Ihnen sehr.«
Ich machte mich auf den Rückweg zu meinem Wagen. Die ersten Schneeflocken begannen zu wirbeln. Pena rief mir nach.
»Was ist mit dem Hypnotisieren?«
»Die Cops werden Sie anrufen, wenn sie es tun wollen.«
Vor dem Einsteigen warf ich einen Blick in den Kofferraum. Es lagen keine Schneeketten darin.
In Boulder hielt ich bei einer Buchhandlung an, die passenderweise The Rue Morgue hieß, und kaufte mir einen Band mit sämtlichen Erzählungen und Gedichten von Edgar Allan Poe. Ich hatte vor, noch am selben Abend mit der Lektüre zu beginnen. Auf der Rückfahrt nach Denver versuchte ich, Penas Antworten in die Theorie einzufügen, an der ich arbeitete. Und ganz gleich, wie ich seine Antworten auch drehte und wendete, sie enthielten nichts, was meine neue Überzeugung hätte erschüttern können.
In der Polizeizentrale von Denver sagte man mir, dass Scalari nicht im Hause sei, also ging ich zur Mordkommission und traf Wexler hinter seinem Schreibtisch an. St. Louis konnte ich nir gendwo entdecken.
»Mist«, sagte Wexler. »Sind Sie gekommen, um mir ans Bein zu pinkeln?«
»Nein«, sagte ich. »Haben Sie das etwa bei mir vor?«
»Kommt drauf an, was Sie von mir wollen.«
»Wo ist der
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