Jack McEvoy 01 - Der Poet
seid ihr euch in die Haare geraten? Über das Mädchen, das in zwei Teile gehackt worden ist?«
»Weshalb fragst du das? Hat er dir davon erzählt?«
»Nein, es ist nur eine Vermutung. Sie hatte ihn um den Finger gewickelt, weshalb also nicht auch dich?«
»Riley, du musst... Hör zu, du solltest versuchen, davon loszukommen. Versuch, an die guten Zeiten zu denken.«
Fast hätte ich mich dazu hinreißen lassen, ihr zu erzählen, worauf ich aus war. Ich hätte ihr gern etwas gegeben, was ihren Schmerz gelindert hätte. Aber es war noch zu früh.
»Das ist nicht gerade leicht.«
»Ich weiß, Riley. Es tut mir Leid. Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll.«
In der Leitung trat eine lange Stille ein, Ich hörte nichts im Hintergrund. Keine Musik. Kein Fernsehen. Ich fragte mich, was sie so allein im Haus tat.
»Mom hat mich heute angerufen. Du hast ihr erzählt, was ich vorhabe.«
»Ja. Ich fand, sie sollte es wissen.«
Ich sagte nichts.
»Weshalb rufst du an, Jack?«, fragte sie schließlich.
»Nur eine Frage. Sie mag dir ein bisschen absurd Vorkommen, aber ... Haben die Cops dir Seans Handschuhe gezeigt oder zurückgegeben?«
»Seine Handschuhe?«
»Die, die er an jenem Tag anhatte.«
»Nein, ich habe sie nicht. Bisher hat mich auch niemand nach ihnen gefragt.«
»Also, was für Handschuhe hatte Sean an?«
»Lederne. Warum?«
»War nur so ein Gedanke. Ich erzähle es dir später, falls etwas dabei herauskommen sollte. Welche Farbe hatten sie? Schwarz?«
»Ja, schwarzes Leder. Ich glaube, sie waren pelzgefüttert.«
Ihre Beschreibung stimmte mit den Tatortfotos überein. Das hatte vorerst nichts zu bedeuten. Nur ein Punkt von vielen, die nachgeprüft werden mussten.
Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten, und ich fragte, ob sie am Abend mit mir essen gehen wollte, weil ich nach Boulder kommen würde, aber sie sagte Nein. Danach legten wir auf. Ich machte mir Sorgen um sie und überlegte, ob ich nicht trotzdem bei ihr hereinschauen sollte, nachdem ich alles andere erledigt hatte.
Als ich durch Boulder fuhr, konnte ich sehen, dass sich Schneewolken über den Gipfeln der Flatirons bildeten. Da ich hier aufgewachsen war, wusste ich, wie schnell es schneien konnte, sobald die Wolken in Bewegung gerieten. Ich hoffte, dass im Kofferraum des Firmen-Tempo, den ich fuhr, Schneeketten lagen, wusste aber, dass es unwahrscheinlich war.
Am Bear Lake traf ich Pena vor der Ranger-Hütte im Gespräch mit einer Gruppe von Leuten an, die auf einer Skiwanderung waren. Ich vertrieb mir die Zeit am See. An ein paar Stellen war der Schnee geräumt und das Eis freigelegt worden. Ich betrachtete das schwarze Eis und erinnerte mich, irgendwo gehört zu haben, dass einige Fische in diesem See im Winter gefrieren, aber im Frühjahr, wenn das Tauwetter einsetzt, wieder aufwachen. Ich fragte mich, ob das stimmte. Welch ein Jammer, dass Menschen das nicht auch können.
»Ach, Sie sind’s wieder.«
Ich drehte mich zu Pena um. »Ja, tut mir Leid, dass ich Sie noch einmal belästigen muss. Ich habe noch ein paar Fragen.«
»Das macht nichts. Ich wünschte mir, ich hätte rechtzeitig etwas tun können. Sie wissen schon.«
Wir hatten uns auf den Rückweg zu seiner Hütte gemacht.
»Ich glaube nicht, dass irgendjemand etwas hätte tun können«, sagte ich, nur um überhaupt etwas zu sagen.
»Also, was wollen Sie wissen?«
Ich zog das Heft mit meinen Notizen aus der Tasche.
»Erstens, als Sie beim Wagen ankamen, haben Sie da seine Hände gesehen? Wo sie waren, zum Beispiel?«
Er ging wortlos weiter. Vermutlich rief er sich die Szene wieder vor Augen.
»Wissen Sie«, sagte er schließlich, »ich glaube, ich habe auf seine Hände geschaut. Weil ich sah, dass nur er im Wagen saß, und sofort an Selbstmord dachte. Deshalb bin ich ziemlich sicher, dass ich auf seine Hände geschaut habe, um zu sehen, ob er die Waffe in der Hand hatte.«
»Hatte er?«
»Nein. Sie ist neben ihn auf den Sitz gefallen.«
»Erinnern Sie sich, ob er Handschuhe trug?«
»Handschuhe ... Handschuhe«, murmelte er, als versuche er, seinem Erinnerungsspeicher eine Antwort zu entlocken. Nach einer weiteren langen Pause sagte er: »Ich weiß es nicht. Ich kann es vor meinem inneren Auge nicht erkennen. Was sagt die Polizei?«
»Im Augenblick möchte ich lieber nur herausfinden, ob Sie sich erinnern können.«
»Tut mir leid, ich weiß es nicht.«
»Wenn die Polizei es wollte, würden Sie sich dann hypnotisieren lassen? Um festzustellen, ob Sie
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