Jack McEvoy 01 - Der Poet
und abwarten. Ich muss ...«
Mir fehlten die Worte, um das erklären.
»Etwas unternehmen?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich kann einfach nicht darüber reden, Riley. Ich muss es einfach tun. Ich fliege nach Chicago.«
10
Gladden und fünf andere Männer wurden in eine gläserne Kabine in einer Ecke des großen Gerichtssaals geführt. Ein dreißig Zentimeter breiter Schlitz zog sich auf ganzer Länge quer durch das Glas; er erlaubte es den Angeklagten, die Vorgänge im Gerichtssaal zu verfolgen und Fragen ihres Anwalts oder des Richters zu beantworten.
Gladden war die schlaflose Nacht anzusehen. Er hatte sie in einer Einzelzelle verbracht, aber der Lärm ringsum hatte ihn wach gehalten und zu sehr an Raiford erinnert. Er schaute sich im Gerichtssaal um, entdeckte jedoch niemanden, den er kannte. Nicht einmal die Cops Delpy und Sweetzer. Außerdem sah er weder Fernsehkameras noch normale Fotografen. Er nahm das als Zeichen dafür, dass seine wahre Identität bisher noch nicht entdeckt worden war. Das ermutigte ihn. Ein Mann mit lockigem rotem Haar und dicken Brillengläsern ging um die Tische der Anwälte herum und näherte sich der Glaskabine. Er war ziemlich klein und musste das Kinn heben, damit sein Mund bis an die Öffnung im Glas heranreichte.
»Mr. Brisbane?«, fragte er und musterte dabei erwartungsvoll die Männer.
Gladden kam herbei und schaute durch den Schlitz. »Krasner?«
»Ja. Wie geht es Ihnen?«
Er streckte die Hand hoch zum Schlitz. Gladden ergriff sie widerstrebend. Er mochte es nicht, von jemandem berührt zu werden, es sei denn, es handelte sich um ein Kind. Er beantwortete Krasners Frage nicht. So etwas durfte man einen Mann, der gerade eine Nacht im County-Gefängnis verbracht hatte, nicht fragen.
»Haben Sie schon mit dem Ankläger gesprochen?«, fragte er stattdessen.
»Ja. Es ist ziemlich laut hergegangen. Ihre Pechsträhne scheint nicht abzureißen. Die Anklage wird von einer stellvertretenden Staatsanwältin erhoben, mit der ich schon öfter zu tun hatte. Sie geht verdammt scharf ran, und die Cops, die Sie verhaftet haben, haben sie über die - äh - Situation an der Pier informiert.«
»Also hat sie vor, Kleinholz aus mir zu machen.«
»So ist es. Aber der Richter ist in Ordnung. Von dem haben wir nichts zu befürchten. Ich glaube, er ist hier im Hause der Einzige, der nicht Ankläger war, bevor er zum Richter gewählt wurde.«
»Wenigstens etwas Gutes. Ist das Geld angekommen?«
»Ja, alles in Ordnung. Es kann also losgehen. Eine Frage vorweg: Wollen Sie schon heute Vorbringen, dass Sie nicht schuldig sind?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Keine große. Beim Aushandeln der Kaution könnte es den Richter ein oder zwei Zentimeter in unsere Richtung bewegen, in psychologischer Hinsicht, meine ich, wenn er weiß, dass Sie die Klage bereits zurückgewiesen haben und bereit sind, sich auf einen Kampf einzulassen.«
»Okay, nicht schuldig. Hauptsache, Sie holen mich hier raus.«
Harold Nyberg, Richter der Stadt Santa Monica, rief den Na men Harold Brisbane, und Gladden trat wieder an den Schlitz. Krasner kam abermals um die Tische herum und stellte sich vor die Öffnung, um, falls erforderlich, mit seinem Mandanten re den zu können. Nachdem er auf eine ausführliche Verlesung der Anklagen verzichtet hatte, informierte er den Richter, dass sein Mandant auf nicht schuldig plädiere. Richter Nyberg zögerte einen Moment.
»Sind Sie sicher, dass Mr. Brisbane schon heute plädieren möchte?«
»Ja, Euer Ehren. Er möchte schnell reagieren, weil er sich hundertprozentig sicher ist, dass er, was die gegen ihn erhobe nen Anklagen betrifft, nicht schuldig ist.«
»Ich verstehe ...« Der Richter schwieg, während er etwas las, das vor ihm lag. Bisher hatte er noch keinen einzigen Blick in Gladdens Richtung geworfen. »Gut, dann gehe ich davon aus, dass Sie nicht Vorhaben, auf Ihre zehn Tage zu verzichten.«
»Einen Moment, Euer Ehren«, sagte Krasner. Dann wandte er sich Gladden zu und flüsterte: »Sie haben ein Recht auf eine Vorverhandlung über die gegen Sie erhobenen Anklagen bin nen zehn Gerichtstagen. Sie können darauf verzichten, dann wird er eine Anhörung vornehmen und danach die Vorverhandlung festsetzen. Wenn Sie nicht verzichten, setzt er die Vorverhandlung gleich an, für heute in zehn Tagen. Wenn Sie nicht verzichten, ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass Sie kämpfen wollen, dass Sie nicht auf einen Gnadenerweis der Staatsanwältin aus sind. Das könnte
Weitere Kostenlose Bücher