Jack McEvoy 01 - Der Poet
lassen, damit ich mitarbeiten kann.«
»Das ist ja großartig.«
Ich schaute aus dem Fenster und schwieg für eine Weile. Ich war ein wenig aufgeregt. Es geschah etwas. Ich hatte es geschafft, dass die Untersuchungen über die vermeintlichen Selbstmorde von Polizisten in zwei verschiedenen Städten wieder aufgenommen wurden und jetzt als mögliche Morde und möglicherweise miteinander zusammenhängend betrachtet wurden. Das war eine Story. Eine verdammt gute sogar. Und es war etwas, das ich in Washington benutzen konnte, um an die Unterlagen der Foundation und vielleicht sogar an die des FBI heranzukommen. Das heißt, wenn ich als Erster dort eintraf. Wenn mir Chicago oder Denver beim FBI zuvorkam, würden sie mich vermutlich hinauswerfen, weil sie mich nicht mehr brauchten.
»Warum?«, sagte ich laut.
»Warum was?«
»Warum tut jemand so etwas? Was genau tut er?«
Washington antwortete nicht. Er fuhr einfach durch die kalte Nacht.
Wir aßen in einer Nische im hinteren Raum des Slammer, eines Polizistenlokals in der Nähe von Area Three, und zwar beide das Spezialgericht, Truthahnbraten mit Sauce, gutes Kaltwet ter-Essen. Während des Essens gab Washington mir einen kur zen Überblick über die Pläne von MIU. Er erklärte mir, dass alles inoffziell wäre, und wenn ich etwas darüber schreiben wolle, müsse ich mich an den Lieutenant wenden, den man mit der Leitung der Ermittlungen beauftragen würde. Damit hatte ich kein Problem. Schließlich wurde die Sonderkommission wegen mir gebildet. Der Lieutenant würde mit mir reden müssen.
Während wir aßen, lagen Washingtons Ellenbogen immer auf dem Tisch. Es sah aus, als bewache er sein Essen. Manchmal redete er mit vollem Mund, aber nur deshalb, weil er aufgeregt war. Und ich war es auch.
»Wir werden mit Denver anfangen«, sagte Washington. »Wir werden Zusammenarbeiten, unsere Fakten vergleichen und dann sehen, was passiert. Haben Sie inzwischen mit Wexler gesprochen? Er ist stocksauer auf Sie.«
»Warum?«
»Was glauben Sie denn? Sie haben ihm nichts von Poe, Brooks, Chicago erzählt. Ich glaube, damit haben Sie einen Informanten verloren, Jack.«
»Vielleicht. Gibt es dort etwas Neues?«
»Ja, den Ranger.«
»Was ist mit ihm?«
»Sie haben ihn hypnotisiert. Er hat gesagt, Ihr Bruder hätte nur einen Handschuh angehabt, als er durchs Wagenfenster nach der Waffe Ausschau hielt. Dann ist der andere Handschuh, der mit den Pulverrückständen, danach irgendwie wieder an seine Hand gekommen. Wexler sagte, daran bestünden jetzt keine Zweifel mehr.«
Ich nickte, wie zu meiner eigenen Bestätigung.
»Chicago und Denver - Sie werden das FBI hinzuziehen müs sen, stimmt’s? Schließlich geht es um Verbrechen, die die Staatsgrenzen überschreiten.«
»Das findet sich. Wissen Sie, unseren Leuten hier hat es noch nie viel Spaß gemacht, mit denen zusammenzuarbeiten. Wenn wir uns an sie wenden, werden wir regelrecht untergebuttert. Und zwar jedes Mal. Aber Sie haben Recht, es ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit. Wenn diese Sache so ist, wie wir beide glauben, dann wird das FBI sie in die Hand nehmen.«
Ich erzählte Washington nicht, dass ich selbst zum FBI gehen wollte. Ich wusste, dass ich als Erster dort sein musste. Ich schob meinen Teller beiseite, sah Washington an und schüttelte den Kopf. Diese Story war unglaublich.
»Was für ein Gefühl haben Sie dabei? Was halten Sie von dieser Geschichte?«
»Nun«, sagte Washington. »Erstens, es gibt einen Mann, der durch die Gegend läuft und Leute umbringt. Als Nächstes kreuzt er wieder auf und erledigt den Cop, der die Ermittlungen leitet.«
Ich nickte. Ich war derselben Ansicht wie er.
»Zweite Möglichkeit: Die ursprünglichen Morde stehen in keinerlei Beziehung zueinander, und unser Täter wartet einfach auf einen Fall, der ihm gefällt oder über den im Fernsehen berichtet wird, und bringt den Leiter der Ermittlungen um.«
»Möglich.«
»Dritte Variante: Wir haben zwei Killer. In beiden Städten begeht einer die ersten Morde, und der zweite erscheint und begeht die zweiten, die an den Cops. Von den drei Möglichkeiten gefällt mir diese am wenigsten. Zu viele Fragen. Kennen sie sich? Arbeiten sie zusammen? Das scheint mir doch ziemlich weit hergeholt.«
»Sie müssten sich kennen. Wie sollte der zweite Mann sonst wissen, wo der erste gewesen ist?«
»Genau. Also konzentrieren wir uns auf die Möglichkeiten eins und zwei. Wir haben noch nicht entschieden, ob jemand aus Denver hierher
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