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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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dreizehnten Stock gab es nicht, wir brauchten hier nicht noch mehr Unglück. Wir hatten beide keinen Vater. Jedenfalls keinen, der aufkreuzte.«
    Ich hatte das Gefühl, dass er auf eine Erwiderung wartete, aber ich wusste nicht, was ich hätte sagen sollen. Ich hatte nicht die blasseste Idee, was es die beiden Freunde gekostet hatte, aus einer Gruft wie dieser hier herauszukommen. Ich blieb stumm.
    »Wir blieben ein Leben lang Freunde. Er hat sogar meine erste Freundin geheiratet, Edna. Dann, bei der Polizei, nachdem wir beide es bis zur Mordkommission geschafft und ein paar Jahre lang die älteren Detectives begleitet hatten, beantragten wir, als Partner arbeiten zu dürfen. Es wurde genehmigt. Die Sun-Times hat einmal eine Story über uns gebracht. Sie steckten uns in Three, weil es auch für diesen Ort hier zuständig ist. Sie gingen davon aus, dass wir uns hier auskennen. Eine Menge unserer Fälle stammt von hier. Aber wir wechseln uns natürlich alle ab. Und so war es Zufall, dass wir an jenem Tag Dienst hatten, als dieser Junge ohne Finger gefunden wurde. Scheiße, der Anruf kam genau um acht Uhr. Zehn Minuten früher, und er wäre vermutlich bei der Nachtschicht gelandet.«
    Er schwieg für eine Weile. Vermutlich dachte er darüber nach, welchen Unterschied es gemacht hätte, wenn jemand anders den Anruf entgegengenommen hätte.
    »Manchmal, wenn wir nachts an einem Fall gearbeitet oder jemanden überwacht hatten, sind John und ich nach unserer Schicht noch hier herausgefahren, haben genau an dieser Stelle gehalten und uns einfach umgeschaut.«
    Jetzt wurde mir klar, worin die Botschaft bestand. Larry Legs war sicher, dass Jumpin’ John nicht Selbstmord begangen hatte, weil er ganz genau wusste, was Brooks hatte durchstehen müssen, um von einem Ort wie diesem fortzukommen. Brooks hatte sich seinen Weg aus der Hölle erkämpft und wäre nie auf die Idee gekommen, durch eigene Hand dorthin zurückzukehren. Das war die Botschaft.
    »Deshalb wussten Sie Bescheid, stimmt’s?« Washington sah mich an und nickte kurz.
    »Manches weiß man eben einfach. Er hat es nicht getan. Ich habe das den Leuten von MIU gesagt, aber sie wollten die Sache nur so schnell wie möglich hinter sich bringen.«
    »Sie hatten es also lediglich im Gefühl? Es gab nichts, was nicht ins Bild passte?«
    »Doch, aber für die anderen hat es nicht gereicht. Ich meine, sie hatten seine Nachricht, die Besuche bei dem Therapeuten, alles so, wie es sein sollte. Es passte wunderbar in ihr Bild. Er war ein Selbstmörder, noch bevor sie den Sack zumachten und ihn wegbrachten. Fall erledigt.«
    »Und was war dieses eine?«
    »Die zwei Schüsse.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Lassen Sie uns von hier verschwinden und etwas essen.«
    Er beschrieb mit dem Wagen auf dem Parkplatz einen großen Bogen und kehrte auf die Straße zurück. Wir fuhren nordwärts durch Gegenden, in denen ich nie gewesen war. Aber ich hatte eine Ahnung, wohin wir fuhren. Nach fünf Minuten war ich es leid, auf den nächsten Teil der Geschichte zu warten.
    »Was ist mit den zwei Schüssen?«
    »Er hat zwei Schüsse abgegeben, okay?«
    »Wirklich? Das stand nicht in den Zeitungen.«
    »Die Zeitungen bringen nie sämtliche Details. Aber ich war dort. Im Haus. Edna rief mich an, nachdem sie ihn gefunden hatte. Ich war noch vor der MIU da. Ein Schuss in den Boden und einer in den Mund. Die offizielle Erklärung lautete, er habe den ersten Schuss abgefeuert, um festzustellen, ob er es tun konnte oder nicht. Eine Art Übung. Um den Mut aufzubringen. Mit dem zweiten Schuss habe er sich dann umgebracht. Das ergab keinen Sinn. Jedenfalls für mich nicht.«
    »Weshalb nicht? Was hatten Ihrer Meinung nach die zwei Schüsse zu bedeuten?«
    »Ich glaube, der erste ging in seinen Mund. Der zweite war für die Pulverrückstände. Der Täter legte Johns Hand um die Waffe und schoss sie in den Boden ab. Der Fall wird als Selbstmord abgetan. Ende der Geschichte.«
    »Aber niemand war derselben Meinung wie Sie?«
    »Bis heute nicht. Nicht, bis Sie mit dieser Edgar-Allan-Poe-Geschichte aufgetaucht sind. Vorhin bin ich zur MIU gegangen, zu den Leuten, die den Fall bearbeitet haben, und habe ihnen Ihre Geschichte erzählt. Ich habe sie daran erinnert, dass ich Probleme mit der Selbstmord-Theorie hatte. Sie haben vor, den Fall wiederaufzunehmen und gründlich zu untersuchen. Morgen früh findet eine Besprechung drüben in Eleven-Twenty-One statt. Der Chef der MIU will mich in seine Abteilung versetzen

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