Jack McEvoy 01 - Der Poet
Artikel über die Lehrerin auf meinen Computer zu überspielen, dankte ihr und legte den Hörer auf.
Ich rief das Büro der Detectives der Polizei von Baltimore an und fragte nach Jerry Liebling.
»Liebling, Mordkommission.« »Detective Liebling, mein Name ist Jack McEvoy. Ich hoffe, Sie können mir helfen. Ich versuche, Dan Bledsoe ausfindig zu machen.«
»Und was wollen Sie von ihm?«
»Das würde ich ihm lieber selbst sagen.«
»Tut mir Leid, da kann ich Ihnen nicht helfen. Im Übrigen bin ich in Eile.«
»Hören Sie, ich weil?, was er für McCafferty zu tun versucht hat. Ich möchte ihm etwas erzählen, von dem ich glaube, dass es ihm helfen wird. Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. Aber wenn Sie mir nicht helfen, wird nichts daraus. Ich werde Ihnen meine Nummer geben. Bitte nennen Sie sie ihm, damit er selbst entscheiden kann.«
Es folgte ein langes Schweigen, und ich hatte plötzlich das Gefühl, in eine tote Leitung gesprochen zu haben.
»Hallo?«
»Ja, ich bin noch da. Hören Sie, wenn Dan mit Ihnen reden will, dann wird er es auch tun. Rufen Sie ihn an. Er steht im Telefonbuch.«
»Was, im Telefonbuch?«
»So ist es. Und jetzt muss ich Schluss machen.« Er legte auf.
Ich kam mir blöd vor. An das Telefonbuch hatte ich überhaupt nicht gedacht, weil ich keinen Cop kannte, dessen Nummer darin stand. Ich wählte abermals die Nummer der Auskunft für Baltimore und nannte den Namen des ehemaligen Detectives.
»Ich habe keinen Eintrag für Daniel Bledsoe«, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung. »Ich habe Bledsoe Insurance und Bledsoe Investigations.«
»Okay, geben Sie mir die Nummern und bitte auch die Adressen.«
»Die Nummern sind verschieden, aber die Adresse ist dieselbe, in Fells Point.«
Ich versuchte es bei der Investigations-Nummer. Eine Frau meldete sich. »Könnte ich bitte mit Dan sprechen?«
»Tut mir Leid, das geht leider nicht.«
»Wissen Sie, ob er später noch hereinkommen wird?«
»Er ist bereits da, aber er führt gerade ein anderes Gespräch. Hier ist sein Auftragsdienst. Wenn er unterwegs oder am Telefon ist, läutet es bei mir. Für seinen Terminkalender bin ich allerdings nicht zuständig.«
Fells Point liegt auf einer Landzunge östlich des Inner Harbour von Baltimore. Zuerst kommen die Touristenläden und die Hotels, dann eher altmodische Lokale und Geschäfte und schließlich alte Fabrikgebäude und Klein-Italien. Auf manchen Straßen ist der Asphalt bis auf den darunter liegenden Schotter abgefahren, und wenn der Wind aus der richtigen Richtung weht, riecht man den feuchten Tanggeruch des Meeres oder die Zuckerfabrik auf der anderen Seite der Bucht. Bledsoe Investigations und Bledsoe Insurances befanden sich in einem eingeschossigen Ziegelsteinbau an der Ecke Caroline und Fleet.
Es war kurz nach eins. An der Tür eines kleinen, direkt an der Straße liegenden Büros hing eine Plastikuhr mit verstellbaren Zeigern und den Worten BIN ZURÜCK UM. Die Uhr war auf eins gestellt. Ich beschloss, auf ihn zu warten. Ich hatte nichts Besseres zu tun.
Ich wanderte zu dem Markt auf der Fleet, kaufte mir eine Cola und kehrte dann zu meinem Wagen zurück. Vom Fahrersitz aus konnte ich die Tür von Bledsoes Büro sehen. Ich behielt sie zwanzig Minuten im Auge. Dann endlich sah ich einen Mann mit kohlschwarzem Haar, einem aus dem Jackett hervorquellenden Bauch und einem leichten Hinken näher kommen. Er schloss die Tür auf und ging hinein. Ich nahm meinen Laptop und folgte ihm.
Drinnen sah es aus wie in einer alten Arztpraxis. Es gab eine kleine Diele mit zwei Türen, einem Schiebefenster in der Wand und einem Tresen, hinter dem vermutlich die Sprechstundenhilfe gesessen hatte. Das Milchglasfenster war geschlossen. Die Tür war mit einem Summen aufgegangen, aber niemand reagierte darauf. Ich sah mich ein paar Augenblicke lang um. Es gab eine alte Couch und einen niedrigen Tisch. Für viel mehr hätte auch der Platz nicht ausgereicht. Auf dem Tisch lagen aufgefächert etliche Zeitschriften, keine weniger als sechs Monate alt. Ich war gerade im Begriff, Hallo zu rufen oder an die Tür zum inneren Heiligtum zu klopfen, als ich irgendwo auf der anderen Seite des Schiebefensters eine Toilettenspülung hörte. Dann sah ich hinter dem Milchglas eine verschwommene Gestalt, und kurz darauf wurde die Tür links von mir geöffnet. Der schwarzhaarige Mann stand vor mir. Jetzt erst sah ich, dass er einen Schnurrbart trug, so dünn wie ein Freeway auf einer Karte.
»Kann ich etwas
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