Jack McEvoy 01 - Der Poet
Seiten wieder auf und las den Text, der unter dem Foto stand. Da hieß es, dass im MacArthur-Park endlich wieder Schaukeln und andere Geräte für Kinder aufgestellt worden waren, nachdem man sie wegen des Baus einer U-Bahnstation hatte abbauen und den größten Teil des Parks hatte schließen müssen.
Gladden betrachtete das Foto noch einmal. Der Junge auf dem Skateboard hieß Miguel Arax und war sieben Jahre alt.
Gladden kannte die Gegend nicht, in der der Park lag, vermutete aber, dass eine neue U-Bahnstation nur für eine Gegend genehmigt worden war, in der Leute mit niedrigem Einkommen lebten. Das bedeutete, dass die meisten Kinder arm sein und dunkelbraune Haut haben würden wie der Junge auf dem Foto. Er beschloss, diesen Park einmal aufzusuchen, sobald er alles erledigt und eine Bleibe gefunden hatte. Mit den Armen war es immer viel leichter.
Eine Unterkunft, dachte Gladden. Er wusste, dass eine Unterkunft von allergrößter Wichtigkeit war. Er konnte nicht in diesem Motel oder irgendeinem anderen wohnen bleiben, einerlei, wie gut er seine Spuren verwischt hatte. Es war nicht sicher. Das Risiko wurde von Tag zu Tag größer. Schon bald würden sie nach ihm suchen, das spürte er instinktiv. Bald würden sie nach ihm suchen, deshalb musste er einen sicheren Ort finden.
Er legte die Zeitung fort und ging zum Telefon. Die verrauchte Stimme, die sich meldete, nachdem er die Null gewählt hatte, war unverwechselbar.
»Hier ist, äh, Richard ... in sechs. Ich wollte nur sagen, dass mir meine Worte von vorhin leidtun. Ich war grob, und ich bitte um Entschuldigung.«
Sie sagte nichts, also redete er weiter.
»Aber Sie hatten Recht, es ist verdammt einsam hier, und da habe ich mich gefragt, ob das Angebot, das Sie mir vorhin gemacht haben, wohl noch gilt.«
»Welches Angebot?«
Sie wollte es ihm offensichtlich schwer machen.
»Sie wissen schon, Sie haben gefragt, ob ich etwas sehe, das mir gefällt. Also, stimmt, ich habe etwas gesehen.«
»Ich kann’s kaum glauben. Sie waren ziemlich grob. Woran haben Sie gedacht?«
»Ich weiß nicht. Aber ich habe hundert Dollar, damit sollten wir es uns doch nett machen können.«
Sie schwieg für einen Moment.
»Also, um vier habe ich Feierabend und danach das ganze Wochenende frei. Ich könnte zu Ihnen kommen.«
Gladden lächelte, sorgte aber dafür, dass man es seiner Stimme nicht anhörte.
»Ich kann es kaum abwarten.«
»Dann tut es mir auch Leid. Dass ich so patzig war und was ich gesagt habe.«
»Schön zu hören. Also, bis bald - oh, sind Sie immer noch da?«
»Natürlich, Baby.«
»Wie heißen Sie eigentlich?«
»Darlene.«
»Also, Darlene, ich kann kaum erwarten, dass es vier Uhr ist.«
Sie lachte und legte auf. Gladden lachte nicht.
18
Am nächsten Morgen musste ich wegen der Zeitverschiebung bis zehn Uhr warten, um Laurie Prine an ihrem Schreibtisch in Denver zu erreichen. Ich war sehr ungeduldig, als ich sie endlich an der Strippe hatte, aber ich musste erst die Begrüßung und die Fragen, wo ich war und was ich tat, hinter mich bringen, bevor ich endlich zur Sache kommen konnte.
»Als Sie für mich nach Polizisten-Selbstmorden suchten - haben Sie da in der Baltimore Sun nachgesehen?«
»Ja.«
»Okay, könnten Sie sich die Sun bitte noch einmal vornehmen und nach dem Namen John McCafferty suchen?« Ich buchstabierte ihn für sie.
»Natürlich. Wie weit zurück?«
»Ich weiß nicht genau. Fünf Jahre müssten reichen.«
»Wann brauchen Sie es?«
»Gestern Abend.«
»Das bedeutet vermutlich, dass Sie am Telefon warten wollen.«
»So ist es.«
Ich zog den Poe-Band auf den Schoß und las einige der Gedichte, während ich wartete. Bei Tageslicht schlugen die Worte mich nicht mehr so stark in ihren Bann wie in der Nacht zuvor.
»Okay - Donnerwetter - es gibt eine Menge Material über ihn, Jack. Achtundzwanzig Artikel. Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?«
»Äh, nein. Welches ist der neueste?«
Ich wusste, dass sie das feststellen konnte, indem sie einfach die Schlagzeilen über ihren Bildschirm laufen ließ.
»>Detective wegen Behinderung der Ermittlungen im Todesfall McCafferty entlassene«
»Das ist merkwürdig«, sagte ich. »Das hätte bereits bei Ihrer ersten Suche auftauchen müssen. Können Sie mir den Artikel vorlesen?«
Ich hörte, wie sie ein paar Tasten anschlug.
»So, jetzt hab ich’s. >Ein Detective der Polizei von Baltimore wurde am Montag entlassen, weil er versucht hat, den Eindruck zu erwecken, sein langjähriger
Weitere Kostenlose Bücher