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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Zeiten.
    »Das Fieber, das Leben heißt, ist endlich überwunden«, sagte er, ohne den Blick von dem Foto abzuwenden.
    Ich schlug mit der Hand auf das Buch. Das Geräusch erschreckte uns beide.
    »Verstanden«, sagte ich. Ich hatte die Seiten mit den Gedichten, aus denen die Zitate des Mörders stammten, eingeknickt. Ich überflog >Für Annie<, bis ich wusste, dass ich Recht hatte. Dann legte ich das Buch auf den Schreibtisch und drehte es so, dass er darin lesen konnte.
    »Erste Strophe«, sagte ich.
    Bledsoe beugte sich vor und las das Gedicht.
    Dem Himmel sei Dank! Die Krise -
    die Gefahr ist vorbei,
    und die schleichende Krankheit
    ist endlich geschwunden -
    und das Fieber, das >Leben< heißt,
    endlich ist’s überwunden.
19
    Als ich um vier Uhr durch das Foyer des Hilton eilte, stellte ich mir vor, wie Greg Glenn jetzt gemächlich von seinem Schreibtisch aufstand und sich zur täglichen Besprechung der Lokalnachrichten in den Konferenzraum auf den Weg machte. Ich musste mit ihm reden, und ich wusste, wenn ich ihn nicht vorher erwischte, würde er die nächsten beiden Stunden in dieser Besprechung und der daran anschließenden Wochenend-Konferenz festsitzen.
    Als ich auf die Fahrstühle zuging, sah ich, dass eine Frau gerade den einzigen betrat, der sich zur Zeit im Erdgeschoss befand. Ich folgte ihr rasch. Sie hatte bereits auf den Knopf für die zwölfte Etage gedrückt. Ich stellte mich an die hintere Wand der Kabine und schaute abermals auf die Uhr. Ich würde es gerade noch schaffen. Die Redaktionskonferenzen begannen selten pünktlich.
    Die Frau stand rechts von mir, und zwischen uns herrschte jenes unbehagliche Schweigen, das immer eintritt, wenn Fremde in einer Fahrstuhlkabine beisammen stehen. Ihr Gesicht spiegelte sich in dem polierten Messingbeschlag der Tür. Sie sah sehr gut aus, und es fiel mir schwer, den Blick von ihrem Spiegelbild abzuwenden, obwohl ich fürchtete, dass sie zu mir hinschauen und mich dabei ertappen könnte. Vermutlich wusste sie, dass ich sie betrachtete.
    Als der Fahrstuhl in der zwölften Etage hielt, ließ ich sie zuerst aussteigen. Sie wandte sich nach links und eilte den Korridor entlang. Ich bog nach rechts ab. Als ich mich meiner Tür näherte und bereits die Schlüsselkarte aus meiner Hemdtasche zog, hörte ich leichte Schritte auf dem Teppichboden des Korridors. Ich drehte mich um. Die Frau war mir gefolgt. Sie lächelte. »Falsche Richtung.«
    »Kann passieren«, sagte ich und lächelte ebenfalls. »Manchmal kommt man sich hier vor wie in einem Labyrinth.«
    Blöde Bemerkung, dachte ich, als ich die Tür öffnete und sie hinter mir vorbeiging.
    Doch als ich das Zimmer betrat, packte plötzlich eine Hand den Kragen meines Jacketts, und ich wurde in den Raum hineingestoßen. Gleichzeitig fuhr eine andere Hand unter mein Jackett, griff nach meinem Gürtel. Jemand schleuderte mich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett.
    Ich schaffte es dennoch, meine Computertasche festzuhalten. Doch kurz darauf wurde sie mir grob aus den Händen gerissen.
    »FBI! Sie sind verhaftet. Keine Bewegung!«
    Während die Hand in meinem Genick blieb und mich zur Bewegungslosigkeit verdammte, tastete die andere suchend meinen Körper ab.
    »Was, zum Teufel, soll das?«, fragte ich mit halb erstickter Stimme.
    Genauso plötzlich, wie die Hände mich gepackt hatten, waren sie wieder verschwunden.
    »Okay, hoch! Aufstehen!«
    Ich drehte mich um. Es war die Frau aus dem Fahrstuhl. Mein Unterkiefer sackte nach unten. Doch gleichzeitig ließ die Tatsache, dass sie mich allein so mühelos überwältigt hatte, mir die Zornesröte ins Gesicht steigen.
    »Machen Sie sich nichts daraus. Das habe ich schon mit größeren und gefährlicheren Männern als Ihnen gemacht.«
    »Sie sollten mir ganz schnell einen Ausweis zeigen, sonst brauchen Sie einen Anwalt.«
    Sie holte ihre Legitimation aus der Manteltasche und klappte sie vor meinem Gesicht auf.
    »Sie sind derjenige, der einen Anwalt braucht. So, und jetzt möchte ich, dass Sie den Schreibtischstuhl nehmen, ihn in die Ecke stellen und so lange darauf sitzen bleiben, während ich mich hier umsehe. Es wird nicht lange dauern.«
    Was sie mir hinhielt, sah aus wie eine echte FBI-Marke und ein Dienstausweis. Darauf stand Special Agent Rachel Walling. Sowie ich den Namen gelesen hatte, ahnte ich, was passiert war.
    »Also los, hopp-hopp! In die Ecke mit Ihnen.«
    »Zeigen Sie mir den Durchsuchungsbefehl.«
    »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte sie streng.

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