Jack McEvoy 01 - Der Poet
»Entweder, Sie setzen sich in die Ecke, oder ich bringe Sie ins Badezimmer und schließe Sie am Abflussrohr unter dem Waschbecken an. Entscheiden Sie sich.«
Ich stand auf, zog den Stuhl in die Ecke und setzte mich darauf.
»Ich will trotzdem den Scheiß-Durchsuchungsbefehl sehen.«
»Ist Ihnen bewusst, dass Ihr Gebrauch unflätiger Ausdrücke nichts weiter als ein lahmer Versuch ist, Ihr Gefühl männlicher Überlegenheit wiederherzustellen?«
»Himmel! Ist Ihnen klar, was für einen Blödsinn Sie da reden? Wo ist der Durchsuchungsbefehl?«
»Ich brauche keinen Durchsuchungsbefehl. Sie haben mich hereingebeten und mir die Durchsuchung gestattet. Ich habe Sie verhaftet, nachdem ich das Diebesgut gefunden hatte.«
Sie tat ein paar Schritte zurück zur Tür und machte sie zu.
»Ich habe Sie keineswegs hereingebeten. Wenn Sie es mit dieser Masche versuchen, kommen Sie in Teufels Küche. Nehmen Sie etwa an, irgendein Richter würde glauben, ich wäre so dämlich, Sie hereinzubitten, wenn ich Diebesgut im Zimmer hätte?«
Sie sah mich an und lächelte süßlich.
»Mr. McEvoy, ich bin eins zweiundsechzig groß und wiege sechzig Kilo. Mit meiner Waffe. Glauben Sie etwa, ein Richter würde Ihre Version glauben? Würden Sie vor Gericht erzählen, was ich eben mit Ihnen gemacht habe?«
Ich wandte den Blick ab und schaute aus dem Fenster. Das Zimmermädchen hatte die Vorhänge aufgezogen. Das Licht begann bereits zu schwinden.
»Das dachte ich mir«, sagte sie. »So, und wollen Sie mir jetzt helfen, Zeit zu sparen? Wo sind die Protokolle, die Sie kopiert haben?«
»In der Computertasche. Ich habe kein Verbrechen begangen, indem ich sie mir beschaffte, und ihr bloßer Besitz ist ebenfalls kein Verbrechen.«
Ich musste vorsichtig sein mit dem, was ich sagte. Ich wusste nicht, ob man bereits herausgefunden hatte, was Michael Warren getan hatte, oder nicht.
Walling durchsuchte meine Tasche. Sie holte den Poe-Band heraus, betrachtete ihn spöttisch und warf ihn aufs Bett. Dann zog sie mein Notizbuch und den Packen Kopien heraus. Warren hatte Recht gehabt. Sie war eine schöne Frau. Eine harte Schale, aber trotzdem schön. Ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein oder zwei Jahre älter, mit braunem Haar, das bis auf ihre Schultern herabfiel. Intelligente grüne Augen und eine starke Aura der Selbstsicherheit. Das war das Attraktivste an ihr.
»Einbruch ist ein Verbrechen«, sagte sie. »Es wurde zu mei ner Angelegenheit, als sich herausstellte, dass die gestohlenen Dokumente dem FBI gehören.«
»Ich bin nirgendwo eingebrochen, und ich habe nichts gestohlen. Das ist pure Schikane. Es ist allgemein bekannt, dass ihr FBI-Leute nervös werdet, wenn jemand anders eure Arbeit tut.«
Walling beugte sich über das Bett und sah die Papiere durch. Dann richtete sie sich auf, griff in ihre Tasche und holte einen durchsichtigen Plastikumschlag mit einem einzigen Blatt Papier heraus. Sie hielt es hoch, damit ich es sehen konnte. Ich erkannte es. Sechs mit schwarzer Tinte geschriebene Zeilen standen darauf.
Pena: seine Hände?
danach - wie lange?
Wexler / Scalari: der Wagen?
Heizung?
Verriegelung?
Riley: Handschuhe?
Ich erkannte meine Handschrift, und dann wurde mir alles klar. Warren hatte Blätter aus meinem Notizbuch herausgerissen, um die Stellen zu markieren, an denen wir die Akten herausgezogen hatten. Er hatte wohl auch diese Seite genommen und sie später versehentlich zurückgelassen.
»Schludrige Arbeit. Wir werden die Handschrift analysieren und vergleichen, und dann - Volltreffer. Was meinen Sie dazu?«
Diesmal brachte ich nicht einmal mehr ein fuck you heraus.
»Ich beschlagnahme Ihren Computer, dieses Buch und Ihre Notizbücher als mögliche Beweisstücke. Was wir nicht brauchen, bekommen Sie zurück. Okay, und jetzt machen wir uns auf den Weg. Mein Wagen steht vor dem Hotel. Ich bin sogar bereit, Ihnen zu beweisen, dass ich doch kein so gemeines Mädchen bin. Deshalb werde ich Sie ohne Handschellen hinunter bringen. Wir haben eine lange Fahrt nach Virginia vor uns, aber vielleicht kommen wir dem Stoßverkehr noch zuvor. Verspre chen Sie, sich gut zu benehmen? Eine falsche Bewegung, wie man so sagt, und ich verfrachte Sie auf den Rücksitz, mit Hand schellen, die so stramm sitzen wie ein Ehering.«
Ich nickte nur und stand auf. Ich war regelrecht benommen,
Weitere Kostenlose Bücher