Jack McEvoy 01 - Der Poet
Frau mit einem Gummipenis, der mit einem Riemen vor ihrem Bauch befestigt war, hatte Sex mit einer anderen Frau. Gladden band seine Schuhe zu, stellte den Fernseher ab und verließ das Zimmer.
Beim Anblick der Sonne zuckte er zusammen. Er ging über den Parkplatz zum Büro des Motels. Gladden trug ein weißes T- Shirt mit einem Bild von Pluto darauf. Der Hund war seine liebste Cartoon-Figur. Früher hatte das T-Shirt ihm dabei geholfen, die Ängste der Kinder zu beschwichtigen. Es schien immer zu funktionieren.
Hinter der Glasscheibe im Büro saß eine schäbig aussehende Frau. Sie war an einer Stelle tätowiert, die einmal die obere Rundung ihrer linken Brust gewesen war. Jetzt sackte dort die Haut herunter, und die Tätowierung war so alt und verunstaltet, dass man sie kaum von einem blauen Fleck unterscheiden konnte. Die Frau trug eine große blonde Perücke, grellrosa Lippenstift und so viel Make-up, dass es ausgereicht hätte, einen Napfkuchen damit zu glasieren. Oder sie für eine Fernseh-Evangelistin zu halten. Sie war diejenige, die am Vortag seine Anmeldung entgegengenommen hatte. Er legte einen Dollarschein in die Durchreiche und bat um drei Vierteldollar, zwei Zehn- und eine Fünfcentmünze. Er wusste nicht, was die Zeitungen in L. A. kosteten. In den anderen Städten lag der Preis zwischen einem Vierteldollar und fünfzig Cents.
»Tut mir Leid, Baby, ich habe kein Kleingeld«, sagte sie.
»Scheiße«, knurrte Gladden wütend. Er schüttelte den Kopf. Was für ein schlechter Service! »Was ist mit Ihrem Portemonnaie? Ich habe keine Lust, wegen einer verdammten Zeitung meilenweit zu laufen.«
»Warten Sie. Und halten Sie Ihre Zunge im Zaum. Sie brauchen hier nicht den wilden Mann zu markieren.«
Als sie aufstand, musterte er sie. Sie trug einen kurzen, engen schwarzen Rock, der auf der Rückseite ihrer Oberschenkel ein Netzwerk von Krampfadern zur Schau stellte. Ihm wurde bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wie alt sie sein mochte, eine verbrauchte Dreißigjährige oder eine Fünfundvierzigjährige, die die besten Jahre bereits hinter sich hatte. Als sie sich bückte, um ihre Handtasche aus einer der unteren Schreibtischschubladen zu holen, sah es so aus, als böte sie ihm absichtlich ihr Hinterteil dar. Dann kramte sie nach ihrem Portemonnaie. Dabei fixierte sie ihn durch die Scheibe mit einem abschätzigen Blick.
»Haben Sie etwas gesehen, das Ihnen gefällt?«, fragte sie.
»Nein, eher nicht«, erwiderte Gladden. »Haben Sie nun Wechselgeld?«
Sie öffnete das Portemonnaie und betrachtete ihr Kleingeld.
»Sie brauchen nicht patzig zu werden. Außerdem habe ich nur einundsiebzig Cent.«
»Geben Sie her.«
Er schob den Dollar durch.
»Sind Sie sicher? Sechs davon sind Einer.«
»Ja, ich bin sicher. Nun geben Sie schon her.«
Sie ließ das Kleingeld in die Durchreiche fallen, und er hatte sehr viel Mühe, es aufzuklauben, weil seine Fingernägel restlos abgekaut waren.
»Sie haben Zimmer sechs, stimmt’s?«, sagte sie, nachdem Sie einen Blick auf die Belegliste geworfen hatte. »Immer noch ohne Begleitung?«
»Was soll das?«
»Ich wollte mich nur vergewissern. Was tun Sie so allein in Ihrem Zimmer? Ich hoffe, Sie besorgen es sich nicht selbst auf der Bettdecke.«
Sie grinste. Jetzt hatte sie es ihm heimgezahlt. Seine Wut flammte auf, aber er wusste, dass er ruhig bleiben musste und keinen falschen Eindruck erwecken durfte. Dennoch konnte er nicht an sich halten.
»Wer wird jetzt patzig, hmmm? Sie sind wirklich zum Kotzen. Diese Krampfadern, die zu Ihrem Arsch hochlaufen, sehen genauso aus wie eine Straßenkarte zur Hölle, Lady.«
»Hey! Seien Sie vorsichtig, oder ...«
»Oder was? Sie werfen mich hinaus?«
»Passen Sie einfach auf, was Sie sagen.«
Gladden klaubte die letzte Münze, ein Zehncentstück, auf und verließ das Büro ohne ein weiteres Wort. Draußen ging er zum Zeitungsautomaten und kaufte die Morgenausgabe.
In der beruhigenden Einsamkeit seines dunklen Zimmers wühlte sich Gladden durch die Zeitung, bis er den Lokalteil gefunden hatte. Rasch überflog er die acht Seiten, fand jedoch nichts über den Mord im Motel. Enttäuscht gelangte er zu dem Schluss, dass der Tod eines schwarzen Zimmermädchens in dieser Stadt wohl keinen Bericht wert war.
Er warf die Zeitung aufs Bett. In dem Augenblick, als sie dort landete, erregte ein Foto auf der Titelseite des Lokalteils seine Aufmerksamkeit. Es war ein Schnappschuss von einem Jungen auf einem Skateboard. Er nahm die
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