Jack McEvoy 01 - Der Poet
wandte sich ab, und sein Blick fiel auf ihre Handtasche, die auf einem kleinen Tisch im Esszimmer lag. Er leerte sie aus. Sie enthielt vor allem Make-up, leere Zigarettenschachteln und Streichholzheftchen. Zudem eine kleine Sprühdose zur Abwehr von Angreifern und ihr Portemonnaie. Es enthielt sieben Dollar. Er betrachtete ihren Führerschein und erfuhr zum ersten Mal ihren vollen Namen. »Darlene Kugel«, sagte er laut. »Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
Er nahm das Geld und stopfte alles andere wieder in die Handtasche. Sieben Dollar waren nicht viel, aber es waren immerhin sieben Dollar. Der digiTime-Händler hatte Vorauszahlung verlangt, als Gladden seine Kamera bestellte. Sein Vermögen belief sich jetzt nur noch auf ein paar hundert Dollar, und er war der Ansicht, dass sieben weitere nicht schaden konnten.
Nach einer Weile verdrängte er seine Geldsorgen und setzte sich wieder in Bewegung. Er hatte ein Zeitproblem. Die Kamera musste in New York bestellt werden. Sie würde nicht vor Mittwoch eintreffen. Fünf weitere Tage. Er wusste, dass er diese Zeit zur Sicherheit in Darlenes Wohnung abwarten musste. Und er wusste, dass er es konnte.
Er beschloss, eine Einkaufsliste zu erstellen. Darlenes Regale waren fast leer, abgesehen von Thunfisch, und das Zeug hasste er. Er musste sich etwas zu essen besorgen und dann bis Mitt woch in Deckung bleiben. Er würde nicht viel brauchen. Mineralwasser - Darlene trank offenbar Leitungswasser. Außerdem Fruit Loops, vielleicht ein paar Chef Boyardee.
Gladden hörte das Geräusch eines vorbeifahrenden Wagens. Er schlich zur Tür, um zu lauschen, und vernahm schließlich auch das Geräusch, auf das er gewartet hatte. Das Aufklatschen der Zeitung. Darlene hatte ihm erzählt, dass der Mieter im Nebenhaus die Zeitung bekam. Gladden war stolz auf sich, dass er daran gedacht hatte, sie danach zu fragen. Jetzt trat er ans Fenster und lugte durch die Vorhänge auf die Straße. Die Dämmerung brach grau und neblig an. Er konnte niemanden entdecken.
Nachdem er die beiden Schlösser entriegelt hatte, öffnete Gladden die Tür und trat hinaus in die kühle Morgenluft. Er schaute sich um und entdeckte die zusammengefaltete Zeitung auf dem Gehsteig vor der Wohnung nebenan. Hinter der Wohnungstür brannte kein Licht. Gladden eilte hin, hob die Zeitung auf und kehrte in Darlenes Wohnung zurück.
Auf der Couch suchte er rasch den Lokalteil und überflog die Seiten. Es stand nichts darin. Nichts über das Zimmermädchen.
Er warf den Lokalteil beiseite und griff nach dem allgemeinen Teil. Und da war es endlich, ein Foto von ihm, in der rechten unteren Ecke der Titelseite. Es war die Aufnahme, die bei seiner Verhaftung in Santa Monica gemacht worden war. Er zwang seine Augen, sich von dem Foto abzuwenden, und fing an, die Story zu lesen. Er war überglücklich. Er hatte es wieder geschafft, auf die Titelseite zu kommen. Nach so vielen Jahren. Sein Gesicht rötete sich, während er las.
MOTEL-MÖRDER DER POLIZEI IN FLORIDA ENTWISCHT
Von Keisha Russell
ständige Mitarbeiterin der Times
Ein Mann aus Florida, den Behörden zufolge ein Kinderschänder, der sich der Festnahme durch die Polizei von Florida entziehen konnte, ist als Hauptverdächtiger bei der brutalen Ermordung und Verstümmelung eines Zimmermädchens in Los Angeles identifiziert worden, teilte die Polizei von Los Angeles am Freitag mit.
William Gladden, 29, wird im Zusammenhang mit dem Tod von Evangeline Crowder gesucht, deren Leiche in Gladdens Zimmer im Star Motel in Hollywood gefunden wurde. Der Leichnam des 19-jährigen Opfers war in Stücke zerschnitten und in drei Schubladen der Kommode in diesem Zimmer gestopft worden.
Der Leichnam wurde entdeckt, nachdem Gladden aus dem Motel ausgezogen war. Ein Motel-Angestellter, der nach dem vermissten Mädchen suchte, betrat das Zimmer und sah, dass Blut aus der Kommode heraussickerte, ließ die Polizei verlauten. Crowder war Mutter eines kleinen Jungen.
Gladden hatte sich in dem Motel unter dem Namen Richard Kidwell eingetragen. Die ermittelnden Behörden erklärten jedoch, dass die Analyse eines in dem Zimmer gefundenen Fingerabdrucks ergab, dass es sich bei dem Verdächtigen um Gladden handelt.
Gladden war vor sieben Jahren bei einem Aufsehen erregenden Kindesmissbrauchs-Prozess in Tampa, Florida, zu 70 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Allerdings wurde er nach nur zwei Jahren wieder entlassen, weil das Urteil bei einem Revisionsverfahren aufgehoben worden war. Dem
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