Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
vergangen - gingen vier Männer an Bord einer Maschine nach Paris. Sie waren korrekt gekleidet und sahen mit ihren Aktenkoffern wie Jungmanager aus, die einen Termin im Ausland haben. Auf dem Charles-de-Gaulle-Flughafen bestiegen sie eine Maschine nach Caracas. Von dort flogen sie mit der Eastern Airlines nach Atlanta und anschließend, ebenfalls mit Eastern, zum National Airport, Washington. Als sie dort ankamen, hatten sie einen schrecklichen Jetlag. Sie fuhren mit einem Luxustaxi zu einem Hotel in der Stadt und taten das Beste, was man gegen Reiseschock tun kann - schlafen. Am nächsten Morgen beglichen die vier jungen Geschäftsleute ihre Rechnung und wurden von einem Wagen abgeholt.
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Montage müßten verboten sein, dachte Ryan. Er starrte auf das, was der denkbar schlechteste Beginn eines Tages sein mußte, einen zerrissenen Schnürsenkel, der in seiner linken Hand baumelte. Wo sind die Ersatzschnürsenkel? fragte er sich. Cathy konnte ihm nicht helfen; sie und Sally waren vor zehn Minuten losgefahren, zum Kindergarten und dann zum Krankenhaus. Verdammter Mist. Er stöberte als erstes in seiner Kommode, nichts. Die Küche. Er ging nach unten und öffnete die Schublade, in der alles lag, was keinen anderen Platz hatte. Unter Notizblöcken, Magneten und Scheren fand er ein Ersatzpaar, nein, einen einzelnen weißen Schnürsenkel für Turnschuhe. Er wühlte weiter, und nach einigen Minuten hatte er etwas in der Hand, das zur Not gehen würde. Er nahm nur einen Schnürsenkel und ließ den anderen drin. Schnürsenkel rissen schließlich nicht paarweise.
Habe ich mich wirklich darauf gefreut? fragte er sich, als er aus dem Wagen stieg. Aber er hatte keine Entschuldigungen mehr. In London hatte die Verletzung ihn daran gehindert, es zu tun. In den ersten Wochen zu Hause auch. Dann hatte er schon frühmorgens zur CIA fahren müssen. Das war seine letzte Entschuldigung gewesen. Jetzt gab es keine mehr. Er joggte los und merkte schon nach zweihundert Metern, daß er für all das Liegen gestraft wurde, für all das Sitzen am Schreibtisch, all die Zigaretten, die er sich bei der CIA erlaubt hatte. Die Runden, die er in Quantico gedreht hatte, waren nicht halb so schlimm gewesen. Aber damals warst du auch noch jung, sagte eine innere Stimme schadenfroh.
Er wandte den Kopf nach links und sah, daß er auf der Höhe der Ostseite der Rickover Hall war. Er reckte sich, verlangsamte auf Schrittempo und schnappte nach Luft.
«Alles okay, Professor?» Ein Student joggte neben ihm auf der Stelle und musterte ihn besorgt. Ryan versuchte, ihn für seine Jugend und Kraft zu hassen, hatte aber nicht die Energie dafür.
«Ja, ich bin nur etwas aus der Übung», keuchte er.
«Sie müssen langsam machen, wenn Sie wieder anfangen, Sir», sagte der Zwanzigjährige und lief, seinen Geschichtsprofessor in eine rote Staubwolke hüllend, weiter. Jack fing an, über sich zu lachen, bekam davon jedoch einen Hustenanfall. Als nächstes überholte ihn ein Mädchen. Ihr Lächeln machte alles noch schlimmer.
Cathy Ryan hatte ihren grünen Operationskittel an und wusch sich die Hände. Der Gummibund der Hose war über der Wölbung ihres Bauchs, so daß die Hose viel zu kurz wirkte, wie die Schlabberdinger, die in ihrer Jugend modern gewesen waren. Sie hatte eine grüne Mütze auf und fragte sich zum soundsovielten Mal, warum sie sich eigentlich jeden Morgen kämmte. Wenn sie fertig war, würden die Haare sich wie die Schlangen locken der Medusa um ihren Kopf ringeln.
«Auf geht's», sagte sie leise zu sich. Sie drückte mit dem Ellbogen den Hebel hinunter, der die Tür öffnete, und hielt die Hände hoch, genau wie im Film. Bernice, die Schwester, hielt ihr die Handschuhe hin, und sie schlüpfte hinein, bis der Gummirand weit über ihre Unterarme reichte. «Danke.»
«Was macht das Baby?» fragte Bernice. Sie hatte selbst drei Kinder.
«Im Moment lernt es gerade Joggen.» Cathy lächelte hinter der Maske. «Oder es hebt vielleicht Gewichte.»
«Schöne Kette.»
«Hab' ich von Jack zu Weihnachten bekommen.»
Dr. Terri Mitchell, die Anästhesistin, verband die Patientin mit ihren diversen Monitoren und ging an die Arbeit, während die beiden Chirurgen zusahen. Cathy warf einen schnellen Blick auf die Instrumente, obgleich sie wußte, daß Lisa-Marie immer alles richtig machte. Sie war eine der besten Oberschwestern des Krankenhauses und konnte sich die Ärzte, mit denen sie arbeiten wollte, aussuchen.
«Alles bereit, Doktor?»
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