Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
sie nahm sich vor, nicht zuzulassen, daß es ihren Terminplan beeinflußte. Sie brauchte nie mehr als siebenundfünfzig Minuten für den Weg zum Krankenhaus; und wenn sie Wochenenddienst hatte und der Verkehr längst nicht so dicht war, schaffte sie es bestenfalls in neunundvierzig Minuten. Sie holte Sally immer um Punkt Viertel vor fünf Uhr ab. Neue Routen zu fahren, vor allem innerhalb Baltimores, drohte diesen kleinen Teil ihres Lebens zu ändern, doch gab es nicht viele Fahrprobleme, die ein Porsche 911 nicht meistern konnte.
Sie bog nach rechts auf den Parkplatz. Der grasgrüne Sportwagen fuhr über die Schlaglöcher in der Einfahrt, und sie parkte an der üblichen Stelle. Selbstverständlich schloß sie ab, als sie ausgestiegen war. Der Porsche war sechs Jahre alt, aber er sah aus wie neu. Sie hatte ihn sich nach ihrem Jahr als Assistenzärztin am Johns Hopkins Hospital selbst geschenkt.
«Mami!» Sally stand schon in der Tür.
Cathy bückte sich, um sie hochzuheben. Das Bücken fiel ihr zunehmend schwer, und noch schwerer war es, mit Sally auf den Armen zu stehen. Sie hoffte, ihre Tochter würde sich durch das neue Baby nicht bedroht fühlen. Sie wußte, daß es manchen Kindern so ging, aber sie hatte Sally die Situation bereits erklärt, und ihre Tochter schien sich auf einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester zu freuen.
«Was hat mein großes Mädchen heute alles gemacht?» fragte Dr. Ryan. Sally gefiel es, wenn man «großes Mädchen» zu ihr sagte, und es war Cathys Trick, die unvermeidliche Eifersucht auf das «kleine» Kind von vornherein auf ein Minimum zu beschränken.
Sally zappelte, um wieder abgesetzt zu werden, und hielt ein Bild auf Computerpapier hoch. Es war ein überzeugendes abstraktes Werk in Rot und Orange. Mutter und Tochter gingen zusammen ins Haus und holten ihren Mantel und ihre Umhängetasche. Cathy machte Sallys Reißverschluß zu und setzte ihr die Kapuze auf, denn es war nur wenige Grad über Null, und sie wollte nicht, daß sie sich wieder erkältete, und trat mit ihr ins Freie. Seit sie aus dem Wagen gestiegen war, waren fünf Minuten vergangen.
Sie war sich gar nicht bewußt, welches Ausmaß ihre tägliche Routine hatte. Sie schloß auf, verstaute Sally im Kindersitz, befestigte den Sicherheitsgurt, machte die Tür wieder zu und verschloß sie, ehe sie zur linken Seite des Wagens ging.
Sie blickte kurz hoch. Auf der anderen Seite des Ritchie Highways war ein kleines Einkaufszentrum, ein 7-Eleven, eine chemische Reinigung, ein Videoladen und ein Eisenwarengeschäft. Vor dem 7-Eleven parkte wieder der blaue Transporter. Sie hatte ihn letzte Woche zweimal bemerkt. Sie tat ihn mit einem Achselzucken ab. Das 7-Eleven führte Getränke, Hot Dogs und Sandwiches zum Mitnehmen, und viele Leute hielten dort regelmäßig auf dem Heimweg.
«Hallo, Lady Ryan», sagte Miller, der in dem Transporter saß, laut vor sich hin.
Die beiden Fenster in den hinteren Türen - sie erinnerten Miller an den Häftlingstransporter damals, und er mußte lächeln - waren aus Milchglas, so daß man von draußen nicht in den Wagen sehen konnte. Alex war im Laden und kaufte ein Sechserpack Cola, wie er es die beiden letzten Wochen mehrmals zur gleichen Zeit getan hatte.
Miller sah auf die Uhr. Sie war um vierzehn vor fünf gekommen und fuhr um acht vor fünf weiter. Neben ihm saß ein Mann mit einer Kamera und knipste. Miller hob einen Feldstecher an die Augen. Der grüne Porsche würde leicht auszumachen sein und hatte noch dazu eins von diesen besonderen Kennzeichen, CR-CHRG. Alex hatte ihm erklärt, daß man in Maryland gegen Bezahlung bestimmte Buchstabenkombinationen als Autokennzeichen bekommen konnte, und Sean fragte sich, wer die Kombination wohl nächstes Jahr benutzen würde. Vielleicht gab es noch einen Chirurgen mit den Initialen CR?
Alex kam zurück und ließ den Motor an. Der Transporter verließ den Parkplatz kurz nach dem Porsche. Alex saß selbst am Steuer. Er fuhr auf dem Ritchie Highway in nördlicher Richtung, wendete schnell und brauste nach Süden, um den Porsche wieder ins Blickfeld zu bekommen. Miller setzte sich auf den Beifahrersitz.
«Sie fährt hier bis Route fünfzig und dann über die Severn-Brücke. Dort nimmt sie Route zwei. Wir wollen sie erwischen, ehe sie abbiegt. Dann fahren wir weiter, nehmen dieselbe Abfahrt und wechseln den Wagen dort, wo ich dir gezeigt habe. Eigentlich schade», schloß Alex. «Ich hab' mich so an den hier gewöhnt.»
«Von dem, was wir
Weitere Kostenlose Bücher