Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
anderer.
«Genau. Wenn sie die Invasion nun fortgesetzt hätten? Das wurde einmal in Newport ausgeschlossen, und die Invasion verlief prompt erfolgreich. Beachten Sie bitte, daß dies ein Fall ist, in dem die Logik über die Realität siegt, aber es war eine Möglichkeit, die Spruance nicht von der Hand weisen konnte. Seine Hauptaufgabe bestand darin, einer überlegenen japanischen Flotte Schaden zuzufügen. Seine zweite Aufgabe war, die Besetzung Midways zu verhindern. Der Kompromiß, den er schloß, ist ein Meisterstück an operationalem Geschick...» Ryan hielt einen Moment inne. Was hatte er da eben gesagt? Die Logik siegt über die Realität. War er nicht gestern zu der logischen Schlußfolgerung gekommen, die ULA würde nicht ... nein, nein, das war eine völlig andere Situation. Er drängte den Gedanken beiseite und referierte weiter über die Schlußfolgerungen, die aus der Schlacht von Midway zu ziehen waren. Die Studenten gingen jetzt toll mit und bombardierten ihn mit eigenen Thesen.
«Sehr gut», sagte Cathy, als sie sich die Maske vom Gesicht zog. Sie erhob sich vom Schemel und streckte die Arme aus. «Besser hätte es nicht gehen können, Leute.»
Die Patientin wurde nach nebenan gerollt, und Lisa-Marie prüfte noch einmal die Instrumente. Cathys Hände wanderten zum Bauch. Der kleine Kerl strampelte wie wild.
«Fußballspieler?» fragte Bernice.
«Fühlt sich an, als wäre Weltmeisterschaft. Sally war nicht so lebhaft. Ich glaube, diesmal ist es ein Junge.» Cathy wußte, daß es keinen solchen Zusammenhang gab. Sie konnte froh sein, daß das Baby lebhaft war. Es war immer ein gutes Zeichen. Sie lächelte vor sich hin, über das Wunder der Mutterschaft. Hier, in ihr, wartete ein neues menschliches Wesen darauf, geboren zu werden, und nach seinem Strampeln zu urteilen, hatte es nicht viel Geduld. «So. Ich muß mit den Angehörigen reden.»
Sie verließ den Operationssaal, ohne den grünen Kittel auszuziehen. Es wirkte mehr, wenn man ihn anbehielt. Der Warteraum war nur fünfzig Schritte weiter. Die Jeffers - der Vater und eine seiner Töchter - warteten auf dem berühmten Sofa und starrten in die ebenso berühmte Illustrierte, ohne ein Wort zu lesen. Als sie durch die Schwingtür kam, sprangen beide auf. Sie schenkte ihnen ihr strahlendstes Lächeln, was immer die beste Art war, Erfolg zu signalisieren.
«Nun?» fragte der Mann angstvoll.
«Es ging ausgezeichnet», sagte Cathy. «Keine Komplikationen. Das Auge wird wieder gesund.»
«Wann kann sie wieder ...»
«Eine Woche. Wir müssen ein bißchen Geduld haben. Sie können in ungefähr anderthalb Stunden zu ihr. Warum essen Sie bis dahin nicht eine Kleinigkeit? Es hat keinen Sinn, wenn es dem Patienten gutgeht, während die Familie halb verhungert. Ich ...»
«Doktor Ryan», sagte eine Stimme in der Rufanlage. «Doktor Caroline Ryan!»
«Einen Moment.» Cathy ging zur Schwesternstation und nahm den Hörer ab. «Ryan.»
«Cathy, hier Gene in der Notaufnahme. Eben ist ein zehnjähriger Schwarzer mit einer schlimmen Augenverletzung eingeliefert worden. Er ist mit dem Fahrrad in ein Schaufenster gesaust», sagte ihr Kollege hastig. «Das linke Auge ist böse zugerichtet.»
«Schicken Sie ihn auf sechs.» Cathy legte auf und ging zu den Jeffers zurück. «Ich muß mich beeilen, wir haben einen Notfall. Ihre Frau wird wieder gut sehen können. Bis morgen.» Sie ging, so schnell sie konnte, zum OP.
«Kopf hoch, wir kriegen einen Fall von der Notaufnahme. Zehn Jahre alter schwarzer Junge, schwere Augenverletzung. Trefft alle Vorbereitungen für eine sofortige Operation!»
Der Chevrolet fuhr in eines der Parkhäuser des Krankenhauskomplexes. Von der obersten Rampe hatte der Fahrer einen guten Blick auf die Tür, die vom Krankenhaus zum Ärzteparkplatz ging. Es war nicht ungewöhnlich, daß jemand im Auto wartete, während ein anderer Insasse einen Angehörigen in der Klinik besuchte. Er stellte einen Sender ein, der Musik brachte, lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an.
Ryan legte Roastbeef auf seine Semmel und nahm Eistee. Im Offiziersclub wurde das, was man konsumierte, nicht nach Güte berechnet, sondern nach Gewicht: Er stellte sein Tablett auf eine Waage, und die Kassiererin reichte ihm den Bon, der Gewicht und Preis anzeigte. Jack zahlte zwei Dollar und zehn Cent, nicht viel für einen Lunch, aber die Berechnungsmethode war doch eigenartig. Er ging zu Robby Jackson, der an einem abgeteilten Ecktisch
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