Jack Taylor fliegt raus
braunem Leder.
Schlussfolgerung: nicht mein Bereich. Sie sprach mit Sean und er zeigte auf mich. Ich sah auf, als sie sich näherte. Sie fragte:
»Mr Taylor?«
»Ja.«
»Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
»Klar, setzen Sie sich.«
Aus der Nähe war sie hübscher, als ich gesehen hatte. Die Linien um ihre Augen waren tief. Ich hätte sie als Enddreißigerin eingeschätzt. Ich fragte:
»Kann ich Ihnen was zu trinken holen?«
»Der Mann bringt mir Kaffee.«
Während wir warteten, betrachtete sie mich prüfend. Nicht diskret, offen ohne Tarnung. Sean kam mit dem Kaffe e … und, siehe, einem Teller Plätzchen. Ich blickte ihn an und er sagte:
»Kümmer dich um deinen eigenen.«
Nachdem er weg war, sagte sie:
»Er ist so zerbrechlich.«
Ohne nachzudenken, sagte ich das Schlimmste:
»Der? Der beerdigt uns noch beide.«
Sie zuckte zusammen, als wolle sie sich ducken. Ich stürmte weiter:
»Was wollen Sie?«
Sie sammelte sich und sagte:
»Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Wie?«
»Mir wurde gesagt, Sie helfen manchen Menschen.«
»Wenn ich kann.«
»Meine Tochte r … Sara h … Si e … hat im Januar Selbstmord begangen. Sie war erst sechzehn.«
Ich machte angemessene Geräusche des Mitgefühls. Sie fuhr fort:
»Ich glaube nicht, dass si e … sich umgebracht hätt e … Das hätt e … sie einfach nie gemacht.«
Ich versuchte, nicht zu seufzen. Sie lächelte kurz und bitter und sagte:
»So was sagen Eltern wohl imme r … , oder? Aber danach ist etwas passiert.«
»Danach?«
»Ja,einMannhatangerufenundgesagt:›Siewurdeertränkt.‹«
Das haute mich um. Ich versuchte mich zu berappeln und fragte:
»Was?«
»Das hat er gesagt. Nichts weiter, nur diese drei Wörter.«
Mir fiel ein, dass ich nicht einmal wusste, wie sie hieß.
»An n … Ann Henderson.«
Wie weit hinkte ich denn hinterher? Zeit, in die Gänge zu kommen. Ich machte meinen Kaffee plus nieder. Ließ ihn wirken und sagte:
»Mrs Henderso n … Ic h … «
»Nicht Mrs – ich bin nicht verheiratet. Sarahs Vater hat uns schon vor langer Zeit verlassen. Wir hatten nur uns beid e … Deshalb hätte si e … mich auch nie im Stich gelassen.«
»Annie, wenn so eine Tragödie passiert, werden immer die Wahnsinnigen und die Spinner munter. Das ist wie eine Leuchtbake für sie. Sie geilen sich am Schmerz anderer Leute auf.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, hob dann den Kopf und sagte:
»Er hat’s gewusst.«
Sie kramte in ihrer Handtasche, zog einen dicken Briefumschlag heraus und sagte:
»Ich hoffe, das reicht. Das hatten wir für unsere Amerikareise gespart. Sarah hatte alles bis ins Kleinste geplant.«
Als Nächstes legte sie ein Foto neben das Bargeld. Ich tat, als sähe ich hin. Sie sagte:
»Werden Sie es versuchen?«
»Ich kann nichts versprechen.«
Ich weiß, es gab vieles, was ich hätte sagen sollen, was ich hätte sagen können. Aber ich sagte nichts. Sie fragte:
»Warum saufen Sie?«
Das erwischte mich ohne Deckung. Ich sagte:
»Wieso glauben Sie, ich hätte die Wahl?«
»Das ist Quatsch.«
Ich war halb wütend. Noch nicht ganz hinüber, aber angeschlagen, fragte ich:
»Wieso wollen Sie, dass ei n … Säufer … Ihnen hilft?«
Sie stand auf, sah mich genau an und sagte:
»Mir wurde gesagt, Sie wären gut, weil Sie sonst nicht groß was vorhaben.«
Und weg war sie.
»rasche Auffassungsgabe … stellt sich zügig
neuen Herausforderungen«.
(Personalakte)
I ch wohne am Kanal. Ganz nah an der Uni. Nachts sitze ich gern wach da und höre den Studenten beim Grölen zu.
Und sie grölen viel.
Es ist ein kleines Haus, die typische Zwei-Zimmer-oben-zwei-Zimmer-unten-Kiste. Der Hausbesitzer hat zwei Wohnungen draus gemacht. Ich bin im Erdgeschoss. Oben wohnt eine Bankangestellte namens Linda. Landmädel; hat sich sämtliche übelsten Aspekte des Stadtlebens zu eigen gemacht. Eine Art Hinterlist plus Schwerbescheidwissen.
Sie ist Anfang zwanzig, sie sieht aus. Einmal, als sie ihren Schlüssel vergessen hatte, habe ich ihr Schloss geknackt. Kühn geworden, fragte ich:
»Mal Lust, mit mir abends auszugehen?«
»Äh, ich breche nie meine eherne Regel.«
»Und die wäre?«
»Lass dich nicht mit Säufern ein.«
Paar Tage später hatte ihr Auto einen Platten und ich wechselte ihr den Reifen. Sie sagte:
»Hören Sie, da neulich – da war ich neben der Spur.«
Neben der Spur!
Jeder ist auf die schlimmste nur mögliche Weise Modelleisenbahner.
Ich stand auf, die Hände vollgeschmaddert. Sie fuhr
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