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Jaeger

Jaeger

Titel: Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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einer der Bänke Platz, schaute sich aber weiterhin unablässig in der Menge nach Josephina um. Sie konnte sie nirgends entdecken.
    Die ersten zwei Kämpfer betraten die Arena. Es waren Jugendliche. Beide hatten den sehnigen Körperbau und halbwilden Blick der Traveller. Als sie in den Ring stiegen, erkannte Marina sofort, dass sie auch gekämpft hätten, wenn es kein Geld dafür gegeben hätte. Einfach nur zum Vergnügen.
    Die Zuschauer sprangen johlend und schreiend von ihren Sitzen auf. Die Anspannung war deutlich spürbar, die Luft war schwer von Schweiß und Blutdurst. Sie sah, wie Geldscheine den Besitzer wechselten, Quoten festgelegt und Wetten abgeschlossen wurden. Die beiden Jungs stellten sich einander gegenüber auf, die Fäuste vor dem Gesicht. Kampfbereit.
    Der Ringrichter sah aus, als hätte man ihn wahllos aus dem Publikum bestimmt. Er sprach im typischen Dialekt der irischen Traveller und schärfte den Kontrahenten ein, sich einen guten, fairen Kampf zu liefern. Die beiden nickten, hatten jedoch nur Augen für ihren Gegner. Dann ermahnte er sie noch, dass ein sauberer Treffer so viel wert sei wie zehn schmutzige, allerdings war deutlich zu sehen, dass sie ihm gar nicht zuhörten. Sie wollten endlich kämpfen.
    Der Gong ertönte. Unter den Anfeuerungsrufen der Zuschauer begannen die beiden einander zu umtänzeln. Urplötzlich sah sich Marina umringt von roten, schreienden Gesichtern. Die Jungen wurden mutiger, es kam zum ersten Schlagabtausch. Fäuste flogen, Treffer wurden gelandet. Marina hörte das dumpfe Klatschen von Knöcheln auf Haut. Es klang, als würde ein Fleischer ein Schnitzel zartklopfen. Sie hatte das Gefühl, jeden Schlag am eigenen Leib zu spüren.
    Der größere der beiden hatte die bessere Beinarbeit. Mühelos hielt er seinen Gegner auf Abstand und wich den Schlägen, die auf bestimmte Körperpartien zielten, geschickt aus, so dass sie ihn an weniger gefährlichen Stellen trafen. Das machte den kleineren schier rasend. Immer schneller und härter schlug er zu. Ein Fausthieb traf seinen Gegner am Ohr, so dass dieser zu Boden ging und sich den Kopf auf dem Beton anschlug.
    Das war’s , dachte Marina. Der Kampf ist vorbei .
    Weit gefehlt. Der zu Boden gegangene Junge presste sich die Hand aufs Ohr und stieß vor Schmerz und Zorn einen lauten Schrei aus. Der Ringrichter hatte unterdessen alle Hände voll damit zu tun, den Kleineren zurückzuhalten, der mit wutblitzenden Augen von einem Fuß auf den anderen sprang und sich auf seinen Gegner stürzen wollte.
    Der Größere rappelte sich wieder auf. Aus seinem Ohr lief Blut. Marina war keine Ärztin, fand aber, dass die Verletzung gefährlich aussah. Der Ringrichter jedoch schien anderer Ansicht zu sein, denn nach einer kurzen Unterredung mit dem Verletzten gab er den Kampf wieder frei.
    Doch der Kleinere hatte seinen Vorteil erkannt. Er war wie im Rausch und griff sofort an. Der Größere hielt sich wacker und versuchte die Schläge abzuwehren, doch Marina erkannte genau wie der Rest der Zuschauermenge, dass es nur noch eine Frage der Zeit war. Ein Schlag traf ihn auf die Nase. Marina hörte das Knirschen von Knorpel und Knochen. Die Menge grölte. Der Kleinere sprang zur Seite, als dem Großen das Blut aus den Nasenlöchern spritzte, und legte dann einen Hieb gegen das verletzte Ohr nach. Der größere Junge ging zu Boden, und diesmal stand er nicht wieder auf.
    Der Kampf war vorbei, der Kleinere wurde zum Sieger erklärt. Er tänzelte auf und nieder und sprang wie aufgezogen durch den Ring, das Gesicht verschmiert von seinem Blut und dem seines Gegners. Er machte den Eindruck, als sei dieser Kampf für ihn lediglich ein Vorgeplänkel gewesen. Als sei er bereit, es mit jedem beliebigen Gegner aufzunehmen.
    Man begleitete ihn aus dem Ring.
    Der Blutrausch der Menge war vorübergehend gestillt, und der Lärmpegel in der Scheune ebbte bis auf ein angeregtes Murmeln ab. Mehr Geldscheine wanderten von Hand zu Hand, als Wetten für den nächsten Kampf angenommen wurden. Marina saß ganz allein. Ihr war speiübel.
    Erneut warf sie einen Blick auf ihr Handy. Kein Anruf.
    Sie sah zum Ring, auf das blutige Stroh. Konnte nicht glauben, dass ihr eigener Bruder bald dort stehen würde. Geschweige denn, dass sie hier saß, um ihm dabei zuzuschauen.
    Eine Ladung frisches Stroh wurde über das alte geschüttet. Noch immer keine Spur von Josephina. Sie konnte nicht einmal Sandro entdecken. Sie wartete angespannt.
    Der nächste Kampf wurde angekündigt.

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