Jaeger
haben, war Ihr Team ja bereits unterwegs.«
Franks machte ein Gesicht, als hätte noch nie zuvor jemand so mit ihm gesprochen. Er schien keine Ahnung zu haben, wie er darauf reagieren sollte. In seiner Miene las Marina Wut und Mitgefühl zugleich. Schließlich seufzte er. »Das verstehe ich doch. Mir ist klar, dass Sie nach den Ereignissen der letzten zwei Tage unter enormem Stress standen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Sie ein Teil meines Teams sind. Und bei uns gibt es nun mal so etwas wie eine Befehlskette. Wir sind hier in der Abteilung für Kapitalverbrechen, nicht im Wilden Westen. Wenn Sie das nicht akzeptieren und sich in Zukunft danach richten können, dann ist es vielleicht besser, unsere Wege trennen sich.«
»Gut«, sagte sie.
»Was?« Er sah sie verdattert an. »Meinen Sie das ernst?«
»Und wie ernst ich das meine. Ich habe seit gestern Abend fast ununterbrochen darüber nachgedacht. Vielleicht ist es Zeit für eine Veränderung.«
Franks schwieg für einen Moment, dann nickte er. »Gut. Bleiben Sie erst mal eine Zeitlang zu Hause. Bei Ihrer Tochter.«
»Ja. Und danach mache ich wieder eine eigene Praxis auf. Oder ich arbeite als Beraterin. Vielleicht gehe ich auch zurück an die Universität. Irgendwohin, wo man meine Fähigkeiten mehr zu würdigen weiß.«
Franks wurde rot und murmelte ein paar beschwichtigende Worte, doch Marina hörte schon gar nicht mehr hin.
Dieses Kapitel war für sie abgeschlossen.
125 Sandro war zu Besuch gekommen. Marina und Phil hatten ihn eingeladen, und er hatte sich tatsächlich bei ihnen wohl gefühlt . Na, so was, hatte er gedacht. Wer hätte damit gerechnet, dass es mal so weit kommen würde? Er hatte sich sogar mit Phil unterhalten. Er war echt kein so übler Kerl, wie Sandro feststellen musste. Für einen Bullen.
Irgendwann zog Marina ihn in die Küche, um kurz unter vier Augen mit ihm zu sprechen. Er konnte schon ahnen, worum es ging.
»Und? Wie geht’s dir so?«, erkundigte er sich.
Sie nickte. »So gut, wie es einem in meiner Situation eben gehen kann. Und dir?«
»Hm.« Er fuhr sich seufzend mit der Hand durchs Haar. »Echt heftig, das alles.«
»Es tut mir leid«, sagte Marina.
Sandro nickte. Er wusste, worauf sie sich bezog.
»Ich hätte dich nicht einfach mit der Entscheidung allein lassen dürfen. Ob du die Falltür wieder öffnest oder nicht. Das war nicht in Ordnung von mir.«
Sandro zuckte mit den Schultern. Er versuchte sich locker zu geben, aber es gelang ihm nicht ganz. »Ich konnte sie nicht einfach da unten sitzen lassen«, sagte er. »Mich umdrehen und rausgehen und sie verrecken lassen.« Er seufzte. »Das ging einfach nicht.«
Marina nickte.
»Das war eine harte Nacht.« Sandro senkte kurz den Blick und zögerte. Dann sah er Marina in die Augen. »Aber ich hab nachgedacht. Ziemlich viel sogar. Das mit dem Golem, das war ein echter Kampf auf Leben und Tod.«
»Du musstest dich verteidigen. Du hast in Notwehr gehandelt.«
»Eben. Aber wenn wir diese Verrückte einfach da unten im Keller gelassen hätten, ganz egal, was sie getan hat, dann wärst du am Ende genauso schlimm gewesen wie sie. Und ich auch.«
»Ich habe über Mutter nachgedacht«, sagte Marina. »Was sie für uns getan hat. Wenn es darum geht, ihre Kinder zu beschützen, ist eine Mutter zu allem fähig, Sandro. Zu allem. Unsere hat sich unseretwegen in Gefahr gebracht. Sie hat für uns ihr körperliches Wohl aufs Spiel gesetzt. In dem Moment habe ich nur an Josephina gedacht. Ich wollte einfach … die Bedrohung ausschalten.«
»Und ich hab sie wieder rausgelassen.«
»Da war sie längst keine Bedrohung mehr. Du hast das absolut Richtige getan.«
»Tja.« Er nickte. »Vielleicht komme ich also doch nicht nach unserem Vater.«
»Vielleicht nicht.«
Er lächelte. »Dann besteht ja noch Hoffnung.«
Marina erwiderte sein Lächeln. »Kann schon sein.«
Ein befangenes Schweigen folgte. Aber immerhin: Sie hatten nach einem langen Krieg so eine Art Waffenruhe geschlossen.
»Eigentlich ist er gar nicht so verkehrt«, meinte Sandro irgendwann mit einer Handbewegung in Richtung Wohnzimmer. »Dafür, dass er ein Bulle ist.«
»Was ist mit deinem Problem?«, wollte Marina wissen. »Den Schulden?«
Ein Lächeln flog über Sandros Gesicht. »Schon okay«, sagte er, ohne Marina anzusehen. »Alles prima. Mach dir keinen Kopf deswegen.«
»Sandro …«
»Ich hab gesagt, du musst dir deswegen keinen Kopf machen. Im Ernst.«
Marina erkannte, dass sie nicht
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