Jäger der Nacht (German Edition)
übernehmen und sich entscheiden, den Mann doch noch in Stücke zu reißen. „Diese Dunkelheit lag sonst auch auf ihm. In den Visionen hüllte sie uns beide wie ein Mantel ein.“ Deshalb hatte sie ihn instinktiv „die Dunkelheit“ genannt. „Aber jetzt ist sie verschwunden. Ich kann zwar nicht in seinen Kopf hineinsehen, aber ich weiß, dass sie weg ist.“
„Stürzen wir uns nun auf ihn, Faith?“, fragte Judd. „Ich habe nur noch einen Versuch – er erholt sich schon wieder und wird gleich zurückschlagen.“
Sie sah sich die Zielperson noch einmal an, diesen Fremden, der dennoch ein Teil ihres Lebens geworden war. Am meisten erschreckte sie, wie normal er aussah. Es war zu gefährlich, sich in seinen Verstand einzuschleichen, deshalb wusste sie nicht, warum er gemordet hatte. Vielleicht war er sogar nur das Werkzeug von etwas viel Schlimmerem gewesen und war nun davon gereinigt, befrei t – wie sie. Sie konnte einen Unschuldigen treffen, wenn sie Judd auf ihn hetzte.
Faith erstarrte, und in diesem Augenblick sah sie das Blut, das vergossen werden würde, wenn er nicht starb. Auch wenn die Dunkelheit verschwunden war, blieb er ein Albtraum. „Tun Sie es.“
Und die Rache gehört ihr.
Drei Stunden später saß sie im Baumhaus des Alphapärchens, umgeben von Sascha und diversen Gestaltwandlern: Vaughn, Lucas, Clay und ein blonder Wächter, den man ihr als Dorian vorgestellt hatte. Dorians Augen blickten irgendwie böse, eine kalte Wut, die sie nicht zuordnen konnte, da er nicht an der Jagd beteiligt gewesen war. Eine Gestaltwandler-Entscheidung. Eine Gestaltwandler-Strafe. Ausgeführt von einem Medialengehirn. Judd war danach verschwunden und sie war froh darüber. Sie war ihm etwas schuldig, aber seine Anwesenheit brachte Vaughn auf falsche Gedanken.
Während alle anderen überlegten, wie man ihre Sicherheit garantieren könnte, dachte Faith noch einmal an die Ereignisse des Vormittags. Sie hatte den Befehl gegeben, einen Verstand zu zerstören, und sollte eigentlich Schuld empfinden. Es tat ihr zwar leid, aber es war auch richtig gewesen. Marine konnte jetzt in Frieden ruhen, keiner anderen Frau würde mehr ein Leid geschehen.
Vaughn beendete sein Gespräch mit Clay und kam herüber. „Hoch mit dir!“
„Wie bitte?“
Er verzog das Gesicht, hob sie einfach hoch und setzte sich mit ihr in den Armen auf das Kissen. Es kümmerte sie nicht, dass die anderen nur ein paar Schritte entfernt waren, ohne zu zögern, rollte sie sich auf seinem warmen Schoß zusammen. Die Katzen hatten andere Regeln, und Faith gewöhnte sich daran.
„Manchmal muss man Blut vergießen“, sagte Vaughn.
Sie hörte immer noch die Aggression in seiner Stimme und machte sich Sorgen. „Aber ich muss darüber nachdenken. Sonst wäre ich auch ein Monster.“
Er hielt sie einfach fest, während sie versuchte, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Gerade als sie in das Gespräch einsteigen wollte, spürte sie, wie jemand in ihrem Verstand anklopfte. Sie ergriff keine Abwehrmaßnahmen, sondern öffnete automatisch einen telepathischen Kanal.
Unzählige Bilder von Blumen überschwemmten ihren Geist wie ein Wasserfall.
„Oh.“ Sie umklammerte Vaughns Oberarm.
Die Katze war sofort alarmiert. „Was ist los?“
„Schsch.“ Sie schloss die Augen und suchte nach einer Möglichkeit zu antworten, ohne dass die anderen es mitbekamen. Aber es gab keine. „Diejenigen, die telepathische Signale empfangen können, sollten das jetzt ignorieren“, bat sie. Dann steckte sie Freude und Aufregung in eine einzelne Blume.
Eine komplizierte Bilderfolge war die Antwort.
Sie entschlüsselte die Botschaft und versuchte sich auf die richtige Frequenz einzustellen, die so unüblich war, dass sie kein Wesen kannte, das sie benutzte. „Sascha, kannst du das auch sehen?“ Sie schickte ein Testbild.
„Nein.“
Aber der Netkopf hatte es gesehen. Er schickte wieder eine Blume. Sie lächelte, weil sie nun mit ihm kommunizieren konnte, ohne dass die anderen ihre Gedanken lasen, und überlegte, wie sie ihre Frage am besten übermitteln konnte.
Sie sandte ein Bild des Medialnets, das durch eine Brücke mit ihr verbunden war.
Das Bild kam zurück, aber die Brücke fehlte.
Sie runzelte die Stirn und schickte ihm ein Bild ihrer Verwirrung.
Dann sah sie wieder das Medialnet, sich selbst und ein nachtschwarzes Leuchten dazwischen.
„Natürlich. Du brauchst ja keine Brücke“, flüsterte sie, „du bist dafür gemacht.“ Im Vertrauen auf ihren
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