Jäger der Nacht (German Edition)
eigenen Schlüsse ziehen, versteht die größeren Zusammenhänge.“ Sie wurde traurig, aber Vaughns sanfter Kuss ließ sie wieder hoffen. „Er hat mir etwas Böses im Medialnet gezeigt, das alles andere infiziert. Wenn man es nicht stoppt, wird es das Medialnet vernichten.“
„Fäulnis.“ Saschas Stimme war schwer vor Schmerz, der jeden im Raum erfasste.
Der Wächter namens Dorian kam herüber und nahm sie in den Arm. Faith hatte erwartet, dass Lucas darauf aggressiv reagieren würde, aber er ließ die Berührung zu. Das war eine weitere Facette ihrer neuen Familie, an die sie sich noch gewöhnen musste. Noch brachte diese offene Zuneigung ihren gerade erst aus den Fesseln von Silentium befreiten Geist aus der Fassung.
„Gibt es noch etwas?“, fragte Clay.
Sie nickte. „Ich glaube, der Mörder war besessen.“ Alle sahen sie in offensichtlichem Unglauben an. „Vielleicht sollte ich noch ein wenig darüber nachdenken.“
Vaughn küsste sie auf die Stirn. „Besessen, Rotfuchs?“
„Glaubst du, der geistige Verfall hat bereits angefangen?“ Sie versuchte ihre größte Angst in einen Scherz zu kleiden. Auch wenn sie sich vom Medialnet getrennt hatte, war sie doch immer noch eine Mediale, deren Geist zerbrechlicher war als andere.
„Was für eine wunderschöne Verrückte du bist!“ Sein hungriger Kuss entfachte Verlangen in ihr, aber als sie wieder aufblickte, hatten die anderen noch immer denselben fragenden Ausdruck in ihren Gesichtern.
„Als ich das erste Mal mit dem Netkopf gesprochen habe, hat er mir etwas gezeigt.“ Sie erklärte ihnen die Bilder, auch das mit den zwei Frauen. „Ich glaube, die Sternenfrau ist die gute Seite und die Sternenlose ist die schlechte.“
„Was ist mit dem Sternennetz?“, fragte Sascha in Dorians Armen.
Faith richtete sich wieder auf. „Es ist ein unabhängiges Gebilde. Genau wie das Netz der Laurens.“
Vaughn legte die Arme um sie und zog sie wieder an seine Brust. Sein warmer Körper war ein süßer Segen. „Und warum ist dieser Netkopf nun anders?“
„Er hat Gefühle.“ Saschas Augen waren völlig schwarz geworden.
Lucas griff nach ihrem Zopf und Dorian ließ sie los. „Raus damit, Sascha-Schätzchen.“ Lucas strich ihr mit den Fingern über die Wange.
„Die Medialen haben die Gefühle abgeschnitten, haben versucht, sie so weit zu unterdrücken, bis sie praktisch nicht mehr existent waren. Wenn der Netkopf zu Beginn eines Netzes entsteht, dann erhält er in diesem Augenblick auch seine Form.“
Faith wusste, worauf Sascha hinauswollte. „Unser Netz speist sich aus allem – aus Liebe und Hass, Furcht und Freude.“
„Bei den Laurens ist es genauso, wahrscheinlich wegen der Kinder.“ Sascha verschränkte ihre Finger mit denen von Lucas. „Doch das Medialnet speist sich vor allem aus kalter gefühlloser Leere.“
„Aber der Netkopf selbst ist gut. Er empfindet Freude.“ Davon war sie felsenfest überzeugt.
„Ja, aber es war das ursprüngliche Ziel von Silentium, jegliche Gewalt auszuschließen. Der Kernsatz der Konditionierung besagt, alles Dunkle sei schlecht. Daher muss es weggesperrt und von allem anderen ferngehalten werden.“
„Und so entstanden die beiden Seiten des Netkopfs.“ Faith verstand jetzt, was die Empathin sofort begriffen hatte. „In dem dunklen Bewusstsein ist alles Negative, während dieser Teil des Netkopfs nur gut ist. Er ist so verletzlich.“
„Da bin ich mir nicht so sicher“, sagte Sascha. „Wenn er weiß, dass es einen dunklen Kopf gibt, dann weiß er vielleicht auch, was in diesem anderen Teil vorgeht. Du hast gesagt, er hätte den Rat an der Nase herumgeführt.“
„Ja.“ Faiths Sicherheit geriet ins Schwanken. „Aber selbst wenn sie als Team arbeiten, muss ihre Trennung doch irgendwelche Auswirkungen haben.“
In Saschas Augen zeigte sich großer Schmerz. „Solange der dunkle und der helle Netkopf getrennt sind, werden die Medialen weiterhin die schlimmsten Serienmörder des Planeten hervorbringen.“
„Mörder, die absolut keine Gnade kennen.“ Faith dachte daran, was sie gesehen hatte. „Der dunkle Kopf benutzt sie, um sich auszudrücken. Vielleicht kann er aufgrund von Silentium genauso wenig sprechen wie der helle Kopf und kommuniziert durch diese Gewalttaten.“
„Ein Kind, das seine Existenz hinausschreit.“ Saschas Worte gaben den nüchternen Fakten einen emotionalen Hintergrund.
Faith wurde eiskalt bei dieser Vorstellung. So viel Tod, so viel grausame Wut, nur weil ein Kind
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