Jäger der Nacht (German Edition)
Instinkt setzte sie mehr als ein Leben aufs Spiel und schickte ihm einen Schnappschuss des Sternennetzes.
Seine Antwort verschlug ihr den Atem.
Sie hatte verstanden und teilte ihm das mit. Er schickte ihr Sonnenschein. Freude. Doch dann kam Regen. Traurigkeit. Ganze Flüsse unerlöster Dunkelheit flossen durch das Medialnet, Orte, die der Netkopf nicht betreten konnte. Hier gab es kein Leben. Der Tod regierte.
Sie schickte ihm eine Träne, um die Dunkelheit abzuwaschen.
Die Antwort ergab für sie zunächst keinen Sinn, bis sie erkannte, dass es die Erinnerungen eines Kindes waren, das jetzt älter war, als sie es sich vorstellen konnte. Die Bilder zeigten das Medialnet, wie es einst gewesen war, lebendig, ein strahlender Regenbogen. Die nächsten Bilder machten sie sprachlos.
Sie konnte kaum einen Gedanken fassen und antwortete auf die Abschiedssonne mit einer Blume. Dann öffnete sie die Augen. Vaughn hielt sie fest, war aber nicht besonders angespannt.
„Ich habe gespürt, dass dich irgendetwas berührte.“ Er zog die Brauen zusammen. „Es war nicht schlecht. So wie die Jungen auch nicht schlecht sind. Aber es war anders.“
„Der Netkopf.“ Auf ihre Antwort hin prasselten die Fragen nur so auf sie ein:
„Wi e … ?“
„… ein Leck?“
„… oder der Rat?“
„Vielleich t … ?“
„Ruhe!“ Vaughns Gebrüll ließ Stille einkehren. „Red weiter, Rotfuchs.“
Sie lachte, und zur Überraschung aller küsste sie ihn auf den Mund. „Ich liebe dich.“
„Schlechter Zeitpunkt, um mir das zu sagen.“
Alle außer dem Jaguar entspannten sich – immer noch spürte sie seinen Ärger durch das Band zwischen ihnen. Sie wollte ihn beruhigen, streicheln, aber dafür mussten sie allein sein, und jetzt wollten die anderen eine Erklärung von ihr hören. „Ich nehme an, jeder hier weiß über den Netkopf Bescheid?“
„Ich habe versucht, es ihnen zu erklären“, sagte Sascha, „aber du kennst dich besser aus. Ihr verständigt euch mit Bildern?“
„Ja. Es scheint, als hätten wir eine Art Bildersprache gefunden – Sonnenschein bedeutet Freude, Regen Traurigkeit.“
„Er hat Gefühle?“, flüsterte Sascha.
„Ja.“ Und das war ein Grund zur Hoffnung.
„Wie kann er Kontakt zu dir aufnehmen, wenn du gar nicht mehr im Medialnet bist?“, fragte Lucas, der an einem Fensterbrett lehnte.
„Für diese Wesenheit ist es ganz natürlich, sich in Bewusstseinsnetzen zu bewegen“, sagte sie und brannte darauf, den anderen ihre Erkenntnisse mitzuteilen. „Der Netkopf kann in jedes existierende Netz hineinkommen.“
„Das Sternennetz.“ Sascha ging zu ihrem Mann und lehnte sich mit dem Rücken an ihn. „Ich habe ihn noch nie dort gespürt.“
„Ich habe mich vielleicht falsch ausgedrückt.“ Faith versuchte ihre Gedanken zu ordnen. „Jedes Netzwerk hat seinen eigenen Netkopf. Sie gelangen nur in ein anderes, wenn man sie einlädt – ich glaube, das habe ich getan, weil ich an ihn gedacht habe, nachdem ich das Medialnet verlassen hatte.“
Niemand sagte ein Wort.
„Es scheint, als werde jedes Mal, wenn ein Netzwerk entsteht, der Samen für eine neue derartige Wesenheit gelegt. Der Netkopf im Sternennetz ist noch ein Säugling, ein Gedanke. Kennt ihr noch andere Netzwerke?“
Lucas kniff die Augen zusammen. „Sag uns erst, was du gesehen hast.“
Faith konnte inzwischen das aggressive Verhalten der Gestaltwandler teilweise deuten. Es war kein Misstrauen, er wollte nur nicht ihre Wahrnehmung dadurch verwässern, dass er irgendwelche Vorgaben machte. Ihr Medialenverstand wusste diese Einstellung zu schätzen. „Ich habe mehrere kleine Netze gesehen, eines sogar in unmittelbarer Nähe, das aus fünf Medialen besteht. Ihr Netkopf ist noch nicht einmal geboren.“
„Himmel. Das sind die Laurens.“ Lucas’ Aussage erschreckte sie – sie hatte nicht gewusst, dass Judd einer Gruppe angehörte. Einer Familie. Und dennoch war er das Risiko eingegangen, ihr zu helfen. „Sind wir durch ‚deinen‘ Netkopf verletzlich?“
„Nein. Der Netkopf ist nicht mehr an den Rat gebunden, obwohl der davon noch keine Ahnung hat.“
„Was? Wie ist das passiert?“ Sascha entzog Lucas ihren Zopf. Er nahm ihn einfach wieder in die Hand und küsste sie auf den Nacken.
Faith sah, wie Sascha dabei dahinschmolz, und konnte es nachvollziehen. Wenn diese Raubtiere nett waren, konnte man ihnen unmöglich widerstehen. „Nach unseren Begriffen ist er jetzt ein Teenager“, antwortete sie. „Er kann seine
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