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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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sagte er und zog seine Hand schnell wieder zurück.
    Im Taxi erfuhr Kevin, daß sie künftig in der Burkett Street wohnen würden, um die Ecke von Houghton Street, nahe der Innenstadt. Millie, die zwischen ihren Söhnen saß, erzählte ihnen, daß sie sie bereits bei Mr. Johnstone, ihrem neuen Schulrektor, angemeldet hätte. Sie berichtete ihnen von Jake, einem pensionierten Busfahrer, und daß er ein wirklich netter Mann sei, den sie mögen würden. Sie erzählte ihnen, daß sie auch die Kinder in der Nachbarschaft mögen würden, weil sie weder farbig noch sonst etwas sein würden. Nach einer Weile schien ihr nichts Berichtenswertes mehr einzufallen. Und so fuhren sie durch die Straßen, schweigend wie drei Fremde.
     
    Das Taxi bog in die Houghton Street ein mit ihrer entsetzlichen Eintönigkeit von Häusern, Läden und Verkehr. Durch die Windschutzscheibe sah Kevin einen Steinklotz, der die Gegend beherrschte: Kurz darauf kamen sie an der Kirche vorbei, einem mächtigen, dunklen Gebäude, an das sich eine Steinmauer anschloß. Durch ein eisernes Tor konnte Kevin einen Friedhof von riesigen Ausmaßen erkennen. Die Grabsteine, Monumente und Mausoleen sahen gespenstisch grau aus, befleckt mit dem Weiß schmelzenden Schnees. Bäume mit kahlen Ästen wölbten sich über diesen leblosen Platz.
    Das Taxi bog nun in die Burkett Street ein. «Gleich sind wir zu Hause, Jungs», zwitscherte Millie.
    ‹Zuhause ?› dachte Kevin. Er betrachtete sich die Straße und beschloß, daß es wohl eine Weile dauern würde, bis er sich an diesen Gedanken gewöhnt hätte.
    In der Burkett Street war alles etwas enger als in der Houghton Street, und die Häuser standen dichter beieinander. Die Bürgersteige waren übersät mit Mülleimern, Abfalltüten und alten Zeitungen. Auf etlichen der Vortreppen saßen rauchende Frauen und unterhielten sich. Männer bastelten an einem alten Auto herum. Dosenbier, eingewickelt in braune Papiertüten, stand auf den Kühlerhauben bereit. Abmontierte Vorderreifen lagen im Rinnstein. Einige Kinder warfen Geldstücke gegen Hauswände. Andere sausten auf Skateboards herum – schrille Stimmen, Herumgeschubse. Diese Kinder waren anders als die in Laureldale. Sie bewegten sich schneller; sie sprachen lauter; und irgendwie stolzierten sie so merkwürdig herum, die Hände dicht an der Hosennaht, bereit, sie zu Fäusten zu ballen. Kevin fühlte sich unbehaglich.
    Das Taxi hielt vor einem einstöckigen Klinkerhaus. Von den grünen Fensterläden blätterte die Farbe. Drei Stufen bildeten die Vortreppe, die zur Haustür führte. «Da sind wir», sagte Millie. Kevin griff sich seinen Koffer.
     
    Die Tür öffnete sich. Ein kleiner stämmiger Mann mit Bierbauch, gerötetem Gesicht und angeklatschtem grauem Haar stand auf der Schwelle. «Tagchen, ihr.» Er hatte den zähen Akzent der Südstaaten.
    «Jungs, das ist euer Onkel Jake.»
    Jake streckte seine fleischigen, abgearbeiteten Hände aus. «Na, du mußt Kevin sein?»
    «Richtig.» Kevin schüttelte die Hand und fühlte den Druck schwieliger Härte. Er bemerkte die kleinen blutunterlaufenen Augen des Mannes.
    «Und du bist Dennis, nicht wahr, junger Mann?»
    Dennis streckte sich kerzengerade, und mit einem etwas schiefen Lächeln und überschwenglicher Herzlichkeit schüttelte er Jakes Hand. «Das bin ich!»
    «Na, dann kommt mal alle rein.»
    Die zugezogenen Vorhänge ließen nur ein kleines bißchen Tageslicht in das dunkle Wohnzimmer. In einer Zimmerecke flackerte es bunt: der Fernseher. Ein riesiger Schlafsessel aus braunem Kunstleder stand davor. Sonst gab es nur noch eine Couch mit einem Tisch in diesem Zimmer. Es roch nach abgestandenem Bier und alten Klamotten.
    Während Jake es sich in dem Sessel vorm Fernseher gemütlich
    machte, führte Millie ihre Söhne über eine enge Treppe zwei Stockwerke höher in eine Dachkammer. Unter einer niedrigen Decke erstreckte sie sich über die gesamte Länge des Hauses. An jedem Ende gab es ein kleines Fenster.
    «Ich hab’ mich wirklich bemüht, es für euch herzurichten», sagte Millie. Ihre Stimme klang immer noch sicher, aber mit einem Unterton von Schuldgefühl, wie es Kevin vorher nicht so aufgefallen war. Er sah sich um. An jedem Fenster standen ein Feldbett und eine Kommode. In der Mitte des Zimmers lag ein mottenzerfressener Teppichfetzen. An der einen Wand standen zwei Stühle mit senkrechten Lehnen. An der anderen Wand hinter ihm hing ein Poster von John Wayne mit Cowboy‐Hut, wie er gerade seinen Arm um

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