Jäger des Einhorns
dem schweren Weinkrug an Deck von Seemann zu Seemann ging, »daß sie es in den Kerkern der Zaketer nicht leicht haben – denn sie kommen aus Logghard.«
»Ich sehe, daß ich dein Verständnis habe«, atmete Casson erleichtert auf, schenkte Yzinda ein strahlendes Lächeln und nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher.
*
Während die Verwandlung der elf Männer langsam vor sich ging, riefen sie sich immer wieder in ihre Gedanken zurück, was sie über das Reich der Zaketer und Yucazan wußten.
Viel war es nicht – fast alles stammte aus Gerüchten, aus einzelnen Gesprächen mit den Quinen und dem Zauberer Kukuar.
Vor sehr langer Zeit wurde von einem mächtigen Mann, der über großartige Entschlossenheit verfügt haben mußte, das Reich gegründet. Er sammelte die Eingeborenen eines riesigen Inselbezirks unter eine einzige Reichsidee. Er gründete ebenso die Stadt Yucazan auf sieben Inseln und zeigte den Menschen, wie man jene Bauwerke aus fast fugenlosen Quadern errichtete. Auch war er es, der die Zeitrechnung einführte und die Methode ihrer Messung bestimmte. Seine mächtige, namenlose Gestalt verlor sich im Dunkel der Vorgeschichte.
Heute standen unterhalb des HÖCHSTEN, das durch eine imaginäre Zahl – in der Quinensprache hieß sie die schwächste und die mächtigste Ziffer – symbolisiert wurde, die drei Herren des Lichts. Sie befehligten einen Rat von sieben Hexenmeistern, zu denen Luxon auch den Räuber der Neuen Flamme, den Herrscher Yzindas, also Quaron zählte. Daß die männlichen und weiblichen Diener dieser Hexer Duinen genannt wurde, zählte zünden sicheren Tatsachen.
Loo-Quin, die Hauptstadt des Quinen-Archipels, mußte den Leuten auf Yucazan ein Dorn im Auge sein; ihre Schiffe mit dem grimmigen Lichtboten-Kopf im Segel fanden fast niemals einen echten, wirklichen Widerstand – die abtrünnigen Eingeborenen versteckten sich wirkungsvoll genug.
Die Einhorn-Insel, deren Name einst Syrinam gewesen war, verdankte die Einheitlichkeit ihrer Besiedlung angeblich dem legendären Nullum. Eigentlich waren es mehrere kleine und eine große Insel, an deren südöstlichem Landvorsprung, im Delta des Flusses Ca’Tuhan, die Stadt Yucazan lag.
Varamis, den man mit grauem Staub einpuderte, hob abwehrend die Arme und rief:
»Das Pulver hält nicht an meiner Haut!«
Ein Krieger, der an Bord des erbeuteten Schiffes verschiedene Dosen und Behälter gefunden hatte, öffnete einen tönernen Tiegel.
»Hier! Salbe! Darauf wird der Staub haften.«
Casson, der sich ebenfalls in einen bewaffneten Lyrland-Seemann zu verwandeln versuchte, färbte inzwischen seinen mittlerweile »gestutzten« Bart.
»Vergiß nicht«, ermahnte er den kleinen Zauberer, »du hast als lyrländischer Luminat dein Leben in den Dienst des Lichtboten gestellt.
Du bist ein freiwilliger Frondiener! Jetzt, im Sonnenlicht, sieht der Staub wie Schmutz aus.«
»Wahr gesprochen!« brummte Varamis. »Nicht anders fühle ich mich.«
Die Krieger lachten in gutmütigem Spott. Während des langen Vorstoßes zur Dschungelstadt hatten sie den kleinen Magier schätzen gelernt. Er war mutig wie ein Wolf.
»Aber nachts wirst du leuchten, in unwirklichem Licht erstrahlen!«
»Und ich werde, anstatt zu schlafen, kein Auge schließen können«, jammerte er.
»Yucazan kommt näher«, mahnte Rauco. »Denkt daran, daß wir gegen die Klasse der hochfahrenden, verbrecherischen Herrschenden kämpfen, nicht etwa gegen das HÖCHSTE und oder den Glauben der Menschen.«
»Wäre dies nicht so, Rauco«, versicherte Casson ehrlich, »dann würden wir nicht zusammen rudern, segeln und kämpfen.«
Die Seeleute und die Krieger auf beiden Schiffen hatten sich durch Zurufe verständigt. Hinter der Ayadon, am Ende eines langen, durchhängenden Taues, schaukelte noch das kleine Schiff. Rauco hatte befohlen, daß das andere Schiff in die Bucht von Quins Fluß zurückkehren und dort warten sollte. Zusammen mit dem erbeuteten Schiff der Lyrländer im Schlepp segelte Rauco weiter.
Varamis, der seinen Bart strich, fragte den Steuermann:
»Wann erreichen wir Yucazan?«
»Du kannst dich lange ausschlafen, Luminat«, rief der Steuermann vom Achterdeck. »Wenn der gute Wind anhält, vielleicht morgen bei Sonnenaufgang.«
Von dem Eiland Tay, das inzwischen nur noch als graugrüner Punkt zwischen den Wellen zu sehen war, schwang der Weg der Ayadon zunächst in einem leichten Bogen nach Nordosten. Dort trennten sich beide Schiffe. Dann, als die sinkende Sonne ihr rotes Licht
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