Jäger des Einhorns
dieser verdammte Dunkeljäger?«
Er beschleunigte seine Schritte. Die Männer hinter ihm zogen die Schwerter und hoben die Schilde. Niemand sprach, nur die Geräusche des Atmens und der Schritte hallten in den Gängen, Querstollen und Korridoren wider. Zweimal rollte Casson das Pergament auseinander und verglich den Weg mit der Zeichnung.
»Haben wir uns verirrt? Verlaufen?«
»Nein!«
Nur zweimal hatten sie Wachen gesehen. Sie waren in Seitengängen verschwunden, als die Eindringlinge versuchten, sie zu verfolgen. Die Gitter waren stets geschlossen, aber niemals versperrt. Die Krieger drangen weiter vor, sie fühlten selbst, wie sie tiefer in das Labyrinth der Gänge gerieten und, wenn sie die Zeit richtig abschätzten, mittlerweile dicht vor dem Ziel sein mußten.
Wieder klirrte ein Fallgitter nach oben. Das Zugseil wurde verknotet, und ein Dolch, in die Gleitringe gesteckt und abgebrochen, hielt die Konstruktion fest.
»Casson! Das geht nicht mit rechten Dingen zu! Keine Wächter!«
»Das denke ich auch! Hesert hat über zweihundert gezählt! Aber – wo sind sie?«
Ein weiterer Korridor. Darin eine Doppelreihe von Gittertüren. Die Krieger rannten bis zu der schweren, metallbeschlagenen Holztür am Ende und rissen sie auf.
»Ergyse! Wir sind da!« rief Casson. Die Männer der Stolz hatten auf diesen Augenblick gewartet. Bewaffnet waren sie mit Holzteilen, die sie aus den Tischen und Bänken herausgebrochen hatten. Casson deutete auf den Korridor hinaus. Dort drängten sich die Calcoper und übergaben die zusätzlichen Waffen an die Gefangenen.
»Hinaus und so schnell wie möglich nach oben!« sagte Casson. »Fragt später. Unterwegs sage ich euch, was die Flößer für uns getan haben.«
Die Gefangenen rannten zusammen mit den Kriegern den Korridor entlang. Casson wartete, bis sich dieser Teil des Kerkers geleert hatte. Die Befreiungsaktion war zu schnell vor sich gegangen, ohne jeden Kampf, ohne ein wirkliches Hindernis. Casson fühlte es körperlich: Er befand sich mit allen anderen zusammen in einer gut konstruierten Falle.
»Schneller! Ihr habt alle eure Waffen?« rief er und rannte zwischen den Nachzüglern hindurch.
»Waffen haben wir. Nur keine Gegner!« rief Ergyse. Erleichterung und wilde Freude klangen aus jedem Wort.
»Ihr sollt heute dem HÖCHSTEN geopfert werden. Dämonendiener werden öffentlich getötet!« gab Casson zurück. Er hörte, als die Schar aufgeregter Männer um die erste Ecke bogen und ihre Waffen an die Steine schrammten, hinter sich ein tiefes, dröhnendes Rumpeln.
Er blieb stehen. Gleichzeitig glaubte er, tief in seinem Innern eine Stimme zu hören. Überrascht sah er, wie eine Steinplatte von links aus der Wand herausgeschoben wurde, in einem dunklen Streifen im Boden rutschte und schließlich donnernd gegen die gegenüberliegende Wand schlug. Der Korridor hinter den Flüchtenden war versperrt.
Das Rätsel, das Hesert nicht verstanden hatte, war gelöst. Hier unter der Pyramide konnten Wände und Platten verschoben werden. Casson rannte seinen Freunden nach und rief:
»Laßt euch nicht erschrecken! Es gibt verborgene Maschinen, die ganze Wände verschieben.«
»Eine Stimme sagt mir, daß wir den richtigen Weg haben.«
»Schon möglich. Lauft um euer Leben!«
Zugänge konnten geschlossen, neue Wege geöffnet und die Hirne der Männer dadurch verwirrt werden, dachte Casson. Ihm war klar, daß jemand, der diese Mechanismen beherrschte, alles mit ihnen tun konnte. Sie konnten tagelang im Kreis herumgeführt werden, bis sie wahnsinnig waren. Er konnte sie aus jedem vorhandenen Ausgang herauskommen lassen oder sie in das alte Gefängnis zurückführen.
Die Gefangenen und die Krieger rannten schneller und kamen bis zu einer Treppe. Bis zu diesem Punkt stimmten Zeichnung, Erinnerungen und Rückweg noch zueinander. Dann, als sich Casson durch seine Freunde hindurchgeschoben hatte, erkannte er, daß sich der Weg änderte.
Eine riesige Platte aus hellem Stein sperrte den Gang ab und ließ nur den Weg nach links frei.
»Hinter mir her!« rief er und rannte weiter. Er glaubte, den Plan des Unsichtbaren zu durchschauen. Er wollte sie an einen bestimmten Punkt bringen.
Unsichtbar? es war Kaizan, der Dunkeljäger!
»Was hast du vor?«
»Wir werden nicht eingeschlossen!« gab er zurück. Wieder antwortete ein Calcoper:
»Aber… wir sind richtig! Ich erkenne den Weg!«
»Ich auch!«
»Dann rennt weiter!« sagte Casson ohne viel Hoffnung. Eine fremde Stimme, diesmal
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