Jäger des Einhorns
zuzuschlagen. Der Floßvater hatte schon mit Rauco an Bord der Ayadon gesprochen, und sie alle hatten Pläne geschmiedet.
»Aus vielen Richtungen kommen die Schaulustigen, die echten Gläubigen und solche, denen der Besuch befohlen wurde!« sagte Paryan schließlich.
»Je mehr Menschen, desto größer wird die Verwirrung sein, die wir ausnutzen!« antwortete Casson. Seine Unruhe wurde dadurch verstärkt, daß er keinerlei Nachricht darüber hatte, wo sich Kaizan, der Dunkeljäger, im Augenblick befand. Casson war einigermaßen sicher, daß er sich auf die Spur des falschen Luminaten geheftet hatte.
*
Das Jucken und Brennen wurde stärker, ließ für kurze Zeit nach und kam verstärkt wieder.
Er wußte genau, was diese Zeichen zu bedeuten hatten. Für ihn gab es nur eine Aufgabe. Sie drängte von Tag zu Tag mehr. Er sah alles, hörte jedes Gerücht, sah die ersten Gruppen, die von fern kamen, um zuzusehen, wie das HÖCHSTE sein gerechtes Opfer erhielt.
Kaizan hielt sich im Hintergrund.
Er streifte bei Tag und in den Nächten durch die riesige Stadt. Er schien überall gleichzeitig zu sein.
Fährmänner, die ihn eben übersetzt hatten, sahen seine schattenhaft schnelle Gestalt schon kurze Zeit später wieder an ganz anderen Stellen.
Hier hörte er ein bestimmtes Wort, dort sah er einen der Fremden, die mit Leuten aus Yucazan sprachen, mit Händlern oder Sklaven oder Flößern. Sie bewegten sich offen und selbstsicher, als ob sie nicht im mindesten gefährdet waren. Er wußte es besser. Er traute keinem von ihnen, und das sternförmige Aderngeflecht, das von seinem dritten Auge ausstrahlte, gab ihm recht.
Alle jene Fremde, selbst die Hinterwäldler aus Lyrland, täuschten falsche Gefühle vor.
Wenn es sich tatsächlich so verhielt, und er war dessen sicher, dann war der Dunkeljäger einem riesigen Verbrechen gegen die Herrschenden auf der Spur. Auch in diesem Punkt war er sicher; das brennende Geflecht in seinem Gesicht irrte sich nie. Es war ihm zum Schutz gegen Dämonen in der Schattenzone eingepflanzt worden. Er, der mächtigste Dunkeljäger Yucazans, konnte jedes Brennen und Jucken richtig deuten, und schon oft hatte ihn das Geflecht mitten in den Nächten aus dem Schlaf hochgerissen.
»Ich werde sie alle strafen, und zwar in dem Augenblick, wo sie sicher sind!« versprach er sich selbst voller eiskaltem Zorn. Er beabsichtigte nicht, seine Überlegungen den Magiern mitzuteilen. Zu viele Mitwisser würden seine Arbeit nur stören.
Mehrmals hatte er gesehen, daß sich die Lyrer keineswegs demütig und beeindruckt oder eingeschüchtert benahmen – aber nur dann, wenn sie sich allein fühlten und unbeobachtet.
»Ich werde einen dieser falschen Freunde zwingen, mir die Wahrheit zu sagen!« knurrte er.
Seine Gewißheit, daß sich zwischen der Bevölkerung der Stadt eine große Menge gefährlicher Fremder bewegten, war fast vollkommen. Eindringlinge? Dämonendiener? Ungläubige oder Rebellen, von denen das HÖCHSTE besudelt werden sollte? Endgültige Sicherheit konnte er nur haben, wenn er einen der Fremden in seine Gewalt brachte und dessen Geist und Verstand befragte.
»Das ist meine nächste Aufgabe!« entschloß er sich.
Er wußte bereits, in welche Richtung sein Angriff führen würde. Ruhig überlegte er jeden einzelnen seiner nächsten Schritte und versicherte sich der magischen Formeln, die er zu gebrauchen dachte.
Raucos Blick huschte blitzschnell von einem Posten zum anderen. Das Deck des Schiffes war unauffällig, aber wirkungsvoll von Wächtern besetzt. Es war unmöglich, das Heck der Ayadon einzusehen.
Dort saßen und kauerten einige Männer um ein unregelmäßiges Stück knisternden Pergaments. Hesert schrieb und zeichnete und erklärte dabei, wie eine entschlossene Gruppe in die Kerker unter dem großen Tempel eindringen könnte.
Die Flößer saßen dabei, einige calcopische Krieger, Rauco und Casson. Heserts erste Mitteilung, daß er die Männer satt, neu gekleidet und mit versorgten Wunden angetroffen hatte, schreckte die Loggharder und die Rebellen auf. Davon, daß Kapitän Ergyse und seine Männer geopfert werden sollten, hatte der Luminat den Seefahrern nichts gesagt.
»Wir brauchen für die Stunden nach der Befreiung einen Fluchtplan«, beschwor Rauco die Männer. »Ganz Yucazan wird gegen uns sein.«
»Zuerst das eine, dann unsere Flucht!« murmelte Casson und prägte sich das erste Drittel des Weges ein. Natürlich erfüllte ihn tiefe Freude darüber, daß es Ergyses Männern
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