Jäger des verlorenen Schatzes
Deckel der Lade.
Es war das letzte, was er sah.
Die Nacht war plötzlich erfüllt von Feuerraketen, die aus der Lade fegten, von Flammensäulen, die in der Dunkelheit emporschossen, von Lohe, die das Firmament versengte. Ein weißer Lichtkreis zog einen gleißenden Ring um die Insel, ein Licht, in dem der Ozean glühte und gischtend emporsprühte, eine schäumende Springflut im Dunkel hochpeitschend.
Das Licht, es war das Licht des ersten Schöpfungstages, das Licht des Neuen, der Erschaffung, das Licht, das Gott befohlen hatte: das Licht der Schöpfung.
Und es durchzuckte Belloq mit dem harten Gleißen eines gigantischen Diamanten, ein Licht jenseits der armseligen Leuchtkraft irgendeines Edelsteins. Es zerschnitt sein Herz, zersprengte ihn. Und es war mehr als Licht - es war eine Waffe, eine Kraft, die durch Belloq hindurchfuhr und ihn mit dem Licht von tausend Sonnen aufflammen ließ, weiß, grellrot, blau verwüstet von der Strahlungsflut aus der Bundeslade.
Und er lächelte.
Er lächelte, weil er, einen Augenblick lang, selbst diese Kraft war. Die Kraft nahm ihn in sich auf. Es gab keine Unterscheidung zwischen den Menschen und der Kraft. Dann verflog der Augenblick. Belloqs Augen verschmorten in ihren Höhlen, ließen schwarze, blicklose Löcher zurück, und seine Haut schälte sich von den Knochen, rollte sich auf, als griffe schwärender Aussatz mit der ungeheuren Schnelligkeit eines Steppenbrandes um sich, zerfallend, brennend, versengt, geschwärzt. Und immer noch lächelte er. Er lächelte sogar noch, als er sich aus einem Menschen in etwas zu verwandeln begann, das Gott berührt, das Gottes Zorn erfaßt hatte, etwas, das langsam zu einem Häufchen Staub zerfiel.
Als die Lichter durch die Dunkelheit zuckten, als der ganze Himmel von der Macht der Bundeslade ausgefüllt war, hatte Indy instinktiv die Augen geschlossen - geblendet von der unbeschreiblichen Kraft. Und auf einmal fiel es ihm ein, er wußte wieder das, wonach er so lange gesucht hatte, dachte an die Worte im Hause des Imams an jenem Abend: Wer die Lade öffnet und ihre Kraft freisetzt, wird sterben, wenn er sie erblickt... Und über dem Getöse, vor den gleißenden weißen Säulen, die den Sternenhimmel verblassen ließen, schrie er Marion zu: Nicht hinsehen! Mach die Augen fest zu!
Sie hatte beim ersten Aufgleißen das Gesicht abgewandt, und während das Feuer immer stärker auflohte, preßte sie ihre Augen mit aller Kraft zu. Sie war erfüllt von unendlicher Angst, von Ehrfurcht und Staunen. Immer wieder drängte es sie, hinzusehen. Immer wieder lockte der mächtige Himmelsbrand, die Verwüstung der Nacht.
Nicht hinsehen, sagte Indy immer wieder. Sie klammerte sich an seine Worte.
Er sagte es, schrie es, brüllte es hinaus.
Die Nacht summte wie ein Dynamo, brauste, dröhnte, die Lichter versengten das Dunkel und kreischten auf.
Nicht hinsehen nicht hinsehen nicht hinsehen!
Der Flammenturm stand am Himmel wie der Schatten Gottes ein brennender, lohender Schatten nicht aus Dunkelheit, sondern aus reinem, grellem Licht. Er stand da, zugleich erschreckend und herrlich, und blendete alle, die auf ihn blickten. Er fetzte die Augen aus den Gesichtern der Soldaten. Er verwandelte sie aus Männern in uniformierte Skelette, bedeckte den Boden mit verkohlten, geschwärzten Gebeinen, übersäte alles mit menschlichen Überresten. Er verbrannte die Insel, drückte Bäume platt, kippte Boote um, zermalmte die Dockanlage. Er verwandelte alles. Feuer und Licht. Er verwüstete und zerstörte in rasendem Zorn, den nichts lindern zu können schien.
Er zerbrach die Statue, an die Indy und Marion gefesselt waren; die Figur zerfiel, bis nichts mehr von ihr übrigblieb. Dann fiel der Deckel der Bundeslade auf der Steinplatte zu, die Nacht wurde wieder dunkel, das Meer stumm. Indy wartete lange, bevor er die Augen zu öffnen wagte.
Die Bundeslade leuchtete.
Strahlte mit einem Glanz, der aus geborgener Stille kam, und verbreitete eine Warnung, warnte und drohte.
Indy starrte Marion an.
Sie schaute sich sprachlos um, fassungslos vor dem, was die Bundeslade geschaffen hatte. Zerstörung, Verwüstung, Tod. Sie öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus.
Es gab nichts zu sagen.
Nichts.
Die Erde rings um sie und Indy war nicht verkohlt. Sie war unberührt. Sie hob ihr Gesicht zur Bundeslade.
Dann griff sie langsam nach Indys Hand und umklammerte sie fest.
Epilog Washington D.C.
Sonnenschein flutete durch die Fenster von Colonel Musgroves
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