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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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die
beiden ineinander verkeilten Männer und zerrten sie auseinander.
Banning rutschte mir durch die Arme und fiel mit einem lauten Krachen
in den Gang zwischen den Sitzreihen.
    Nachdem Tammy ihrem Geliebten etwas ins Ohr geflüstert hatte,
schleuderte Marquez zwar weiter Beschimpfungen in Richtung Banning,
hörte jedoch auf, sich losreißen zu wollen. »Dieser
gottverdammte Dreckskerl! Es ist mir völlig egal, was er
weiß…«
    »Er ist krank, schsch, er ist ein kranker Mann«,
beruhigte ihn Tammy.
    Banning rappelte sich hoch und klopfte sich mit der ganzen
Würde, die er aufbringen konnte, den nicht vorhandenen Staub von
Hose und Jackett. Dann neigte er den Kopf, machte mit seiner
behandschuhten Hand eine Geste, als wolle er höflich um die
Erlaubnis bitten, sich entfernen zu dürfen, und trippelte aus
Marquez’ Heimkino.
    »Es ist mir egal, ob sein Gehirn von syphilitischen
Nazi-Würmern durchlöchert ist. Mir reicht es jetzt. Das ist
mehr, als ich ertragen kann!« Tränen kullerten über
Marquez’ Gesicht.
    Tammy begann, ebenfalls zu schluchzen. »Ich kann kein Kind
in diesen Irrsinn setzen!«
    Marquez’ Wut erlosch wie eine Kerze vor einem offenen
Fenster. »Oh, Scheiße«, ächzte er.
    Tammy ließ sich in ihrem Sessel zurücksinken. »Ich
kann das Haus nicht verlassen. Ich muss tapfer sein. In meinem Kopf
sieht es aus wie nach einem Wirbelsturm. Ich muss alles in mir drin
behalten, Tag für Tag! Ich weiß nicht, wer oder was ich
bin oder wohin ich gehöre. Ich weiß überhaupt nichts
mehr!«
    »Es tut uns Leid, Liebes«, murmelte Marquez. »Es
tut uns allen so Leid.« Er sah ganz krank aus vor Zerknirschung.
Tammy versuchte, ihn wegzustoßen, doch er drückte sie fest
an sich und strich ihr übers Haar. Es war eine traurige und
zugleich beklemmende Situation, und ich wusste nicht, wie ich mich
verhalten sollte. Ich hätte mich am liebsten aus dem Haus
geschlichen und für immer aus dem Staub gemacht.
    Wir standen schweigend da, während Marquez versuchte, die
Mutter seines zukünftigen Kindes zu beruhigen. »Ich
wünschte, wir könnten alles ungeschehen machen«,
flüsterte er. »Wirklich.«
    Auf Cousins’ Gesicht lag ein merkwürdiger Ausdruck.
Analytisch, als beobachte er einen Goldfisch im Glas. Es wirkte
irgendwie deplatziert, aber vielleicht war es einfach seine Art, mit
emotionalen Ausbrüchen umzugehen.
    Von der Eingangshalle her hörte ich das Splittern einer
großen Glasscheibe. Cousins und ich rannten in die Diele
hinaus. Banning stand vor einem großen dekorativen Arrangement
aus Seidenblumen, das einen Marmortisch zierte. Er hatte den
goldgerahmten Spiegel hinter den Blumen zerschlagen und eine zackige
Scherbe von der Größe eines langen Dolchs aufgehoben, die
er langsam, Zentimeter für Zentimeter, durch seine linke
Handfläche schob. Blut floss in einem dünnen roten Rinnsal
auf die Fliesen, seine Schuhe, seine Hose.
    »Ich bin ein solches Wrack«, sagte er. Dann rollten
seine Augäpfel nach oben und er sackte zusammen.
    Gemeinsam schafften wir ihn ins Bad. Tammy rief uns durch die
Tür zu, dass wir den Erste-Hilfe-Kasten irgendwo unter dem
Wandtisch finden würden. Marquez schüttelte stumm den Kopf
und marschierte mit geballten Fäusten vor der Tür auf und
ab, während wir die Glasscherbe herauszogen, die Blutung
stillten und die Wunde verbanden.
    »Wir müssen ihn zu einem Arzt bringen«, sagte
Cousins. »Es könnte ein Nerv verletzt sein und er muss
unbedingt genäht werden.«
    »Ich habe meinen eigenen Arzt«, sagte Marquez durch die
Badezimmertür.
    Ich machte die Tür auf. Banning kam gerade wieder zu sich.
Marquez wich ein paar Schritte zurück. Zwei seiner
Leibwächter, gesichtslose Kleiderschränke in schwarzen
T-Shirts und Seidenanzügen mit kahl rasierten Schädeln,
standen rechts und links neben ihm und zogen drohend die Stirn in
Falten.
    »Tammy«, sagte Marquez. »Ruf Dr. Franks an.«
Er rieb sich die Handflächen an seiner Pyjamahose ab.
    Tammy telefonierte mit dem Arzt, während Cousins und ich den
benommenen und desorientierten Banning an den Leibwächtern
vorbei durch die Hintertür und über einen Seitenhof zu dem
Gästehaus nebenan trugen. Tammy schloss die Glastür auf und
wir legten ihn auf das Bett.
    »Entschuldigen Sie«, murmelte Banning mit schwerer
Zunge. Dann rollte er zur Seite und verlor erneut das
Bewusstsein.
    Cousins wischte sich die Hände an einem Handtuch aus dem Bad
des Gästehauses trocken. Sein Gesicht war bleich, die Achseln
seines Hemdes dunkel von

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