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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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nervös, als müsse sie gleich irgendwo
öffentlich auftreten.
    »Zeit für ein paar Videos«, sagte Marquez.
»Ich bringe ein Tablett mit Drinks.«
    •
    »Ich bin ein Schwein und ich weiß es«, sagte
Marquez. Wir saßen im Vorführraum seines Heimkinos –
vier Reihen Plüschsessel, flankiert von dunkelroten
Samtvorhängen. Ein Videoprojektor hing von der Decke, dessen
Kühlventilator in der Stille leise summte. In der Wand hinter
uns öffneten sich Schlitze für die neugierig spähenden
Augen von drei Filmprojektoren. Als Marquez auf einen Knopf
drückte, glitt ein kurzer Bühnenvorhang zur Seite und
enthüllte Türme teurer elektronischer Anlagen. Gleich
darauf schob Marquez eine Scheibe in einen DVD-Player. »Banning
ist ein Irrer, aber ich bin ein hochkarätiges Schwein. Ich habe
es ganz allein dorthin geschafft, wo ich jetzt bin – ohne die
Hilfe von irgendjemandem. Ich habe mich in dieser Paranoikerfestung
eingeschlossen und… siehe da!« Er machte mit der Hand eine
biblisch anmutende Geste, als würde er ein neues goldenes Kalb
enthüllen. »Ich bin genau das, was das arme Mädchen
braucht.«
    Banning ging an der Leinwand vorbei, ehe er Platz nahm, blieb
stehen und hob beide Arme wie ein Professor, der eine Vorlesung
halten will. »1948«, sagte er, »scheinen Stalin und
Golochow ein handfestes Zerwürfnis gehabt zu haben. Stalin hat
möglicherweise gespürt, dass Golochow versuchte, alle in
seiner unmittelbaren Umgebung zu kontrollieren. Jedenfalls gab Stalin
Anweisungen, Golochow und sämtliche Experten, die für Silk
arbeiteten, zu beseitigen. Er beauftragte Berija«, seine Lippen
bewegten sich hektisch, »alle jüdischen Ärzte und
Forscher, die in irgendeiner Weise mit Silk zu tun haben mochten, zu
deportieren. Das war der Anfang des so genannten Ärztekomplotts
im Jahr 1952. Am Ende wurden Millionen von Juden nach Sibirien
verbannt. Sie müssen zugeben, dass dies eine Maßnahme von
beinahe poetischer Gerechtigkeit war.«
    Marquez setzte sich in seinem Sessel kerzengerade auf. »Sie
sind mein Gast«, knurrte er. »Aber ich lasse mich nicht von
Ihnen provozieren.«
    Bannings Augen wurden glasig. Er setzte sich.
    »Wir sind hier nicht daran interessiert, wer Jude war und wer
nicht, Rudy«, sagte Cousins ruhig.
    »Nein, natürlich nicht«, murmelte Banning und sah
zur Seite.
    »Golochow entkam und ging nach New York«, fuhr Cousins
fort. »Er und was von Silk übrig war bemühten sich
offenbar, von nun an so unauffällig wie möglich
aufzutreten. Seitdem verlieren sich sämtliche Spuren im Dunkeln.
Alles, was wir wissen, ist noch immer sehr vage. Wir fahren nach New
York, um die letzten Steine des Puzzles einzufügen, und werden
dann vielleicht das gesamte Bild erkennen können. Und dann…
dann machen wir uns auf den Weg nach Florida und den Exuma
Cays.«
    Marquez beugte sich nach vorn. »Und hier kommt Tammy ins
Spiel.«
    »Tammy?«, fragte ich. »Sie hat ebenfalls damit zu
tun?«
    »Am Rande«, sagte Cousins und warf Marquez einen Blick
zu.
    Marquez hob die Hände. »Was soll ich sagen? Es ist alles
absolut unglaublich.«
    Ich wurde allmählich ganz wirr im Kopf von allzu vielen
Informationen, die allzu viele Lücken aufwiesen. Die Stille zog
sich in die Länge.
    »Und weiter?«, fragte ich.
    »Tammy flog mit ihrem Freund von den Bahamas nach Los
Angeles«, sagte Marquez. »Sie traten bei einer
Preisverleihung von Themed Entertainment im Beverley Wilshire auf. So
was in der Art wie Disneyland, Sea World, Casino-Shows und
Ähnliches. Haben Sie je vom Cirque Fantôme gehört?« Marquez drückte einen Knopf, ein weiterer
Vorhang teilte sich. Der Projektor warf ein prachtvolles, gestochen
scharfes Bild von einem Amphitheater auf die Leinwand. Menschen
schoben sich die Reihen entlang, um ihre Sitze einzunehmen. Lange,
hauchdünne weiße Stoffbahnen verhüllten mehrere
Bühnenebenen im Mittelpunkt der Manege. Hinter den weißen
Schleiern spielten Lichter wie bunte, umherflatternde
Schmetterlinge.
    »Ja, ich glaube schon«, erwiderte ich. »Das ist
eine Art Vegas-Show, nicht?«
    »Hauptsächlich europäische Artisten«, sagte
Marquez. »Der beste Zirkus der Welt. Unglaubliche
Kunststücke, perfekt inszenierte Nummern, atemberaubende
Akrobatik.« Marquez himmelte Tammy mit dem bewundernden Blick
eines kleinen Jungen an, zog jedoch gleichzeitig leicht besorgt die
Augenbrauen hoch.
    »Es ist meine Geschichte. Ich werde sie erzählen«,
erklärte Tammy und straffte die Schultern. »Der Cirque
Fantôme ist mehr

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