Jäger
auf dem Nachbargrundstück brannte lichterloh. Eine
Stichflamme – vermutlich von der Erdgasleitung – schoss in
den Nachthimmel hoch, als sei ein riesiges Feuerzeug
aufgeschnappt.
Marquez richtete sich auf und streckte, gebannt von dem
Schauspiel, die Arme aus. Es ist nicht gut, sein ganzes Leben mit
Filmen zu verbringen. Alles kommt einem dann wie ein Spezialeffekt
vor, nichts scheint mehr wirklich.
»Es ist ein Irrtum«, sagte Cousins. Ich wusste, was er
meinte. Die Piloten hatten Mist gebaut.
In diesem Augenblick ließen alle drei Helikopter von den
brennenden Häusern ab, zogen sich zurück, zögerten ein
paar lange, laute Sekunden, als überprüften sie die Karten
– oje, Scheiße gebaut! –, und schwenkten, wie
ferngesteuert, in einer Formation nach rechts. Sie flogen direkt auf
uns zu.
Dritter Teil
Hal Cousins
Kapitel 30
10. August – Imperial Valley
Lissa fuhr. Wir redeten nicht, bis wir auf der Interstate 5 waren,
die durch das lange Tal nach Süden führte.
»Schau mich nicht so an«, sagte sie. »Er hätte
dich erschossen.«
»Wer, zum Teufel, war er?«
»Er hatte eine Pistole.«
Ich stand noch immer unter Schock.
»Ich hätte es nicht ertragen, wenn du auch noch
erschossen worden wärest«, sagte Lissa.
Wir machten beim Spanish Baron’s Ranch House Inn Halt,
um etwas in den Magen zu bekommen. Es war schon 22 Uhr und wir hatten
noch nicht zu Abend gegessen. Der Regen hinterließ große,
saubere Kleckse auf der Windschutzscheibe. Die Luft über dem
Asphalt des Parkplatzes roch feucht. Ich merkte, wie glücklich
ich war, noch am Leben zu sein.
»Danke«, sagte ich.
»De nada«, erwiderte Lissa. Auf dem Weg zum
Restaurant kamen wir an einem riesigen, altertümlichen
Dampftraktor mit Stahlrädern vorbei, an uralten Pflügen und
roh gezimmerten Bretterwänden, von denen Ochsenjoche,
Zuggeschirre, ledernes Zaumzeug und Steigbügel aus Messing
herunterbaumelten. Die Bedienung führte uns zu einer Nische.
Lissa sah müde aus, aber um keinen Deut weniger schön.
Sie kramte in ihrer Handtasche herum, konnte jedoch nicht finden,
wonach sie suchte. »Ich würde gern ’ne Zigarette
rauchen«, sagte sie. »Und es ist mir scheißegal, wer
es mitbekommt.«
»Harte Braut«, sagte ich.
»Harte Braut«, wiederholte sie mit resolutem Nicken.
»Er hätte dich erschossen.«
»Fraglos.«
»Er hatte diesen Blick.«
»Er hat gegrinst.«
»Er hatte diesen Blick.«
»Er wirkte wie mit Drogen voll gepumpt.«
»Er war markiert.«
»Anzunehmen, ja.«
»Er hatte den scheußlichsten Anzug an, den ich je
gesehen habe. Ist dir das auch aufgefallen?« Ihr stockte der
Atem, und ich dachte, sie würde jeden Augenblick in Tränen
ausbrechen. Sie rieb sich die Augen. »Glaubst du, jemand hat uns
gesehen?«
»Keine Ahnung.«
»Ich glaube nicht«, sagte sie.
Die Bedienung brachte die Getränke. Ich schluckte meine
Integumycin-Tabletten. Lissa spülte zwei Tums mit einem Schluck
Milch hinunter.
»Hast du Bauchschmerzen?«, erkundigte ich mich.
»Ich nehme sie wegen dem Calcium«, erklärte sie.
»Ich will keine brüchigen Knochen kriegen.«
»Die richtige Mischung aus männlichen und weiblichen
Sexualhormonen ist das Geheimnis«, sagte ich. »Du solltest
außerdem mit einer probiotischen Therapie für bessere
Calcium-Resorption beginnen.«
»Ich weiß«, seufzte sie. »Rob hat mir
dasselbe gesagt.«
Jetzt kamen die Tränen und ein lautloses Schluchzen, das sie
heftig schüttelte.
»Ich will das nicht«, sagte sie mit bebender Stimme.
»Ich will nicht hier sein. Wirklich nicht.«
Ich setzte mich neben sie und legte den Arm um sie. Wir aßen
unsere Sandwiches, die sie bar bezahlte.
In den nächsten Stunden übernahm ich das Steuer.
»Zahlen«, sagte ich, »scheinen für die wichtig
zu sein.«
Aber sie war eingeschlafen. Es war zwei Uhr nachts, als ich vor
einem kastenartigen, hellbraun getünchten Motel im Stil der
Achtzigerjahre hielt. Auch dies ein Homeaway. Angestrahlt von
großen grellen Scheinwerfern, lag es in diesen frühen,
toten Morgenstunden still und einsam im Tal. Ich ging in die Lobby,
um zwei Zimmer zu mieten.
»Möchten Sie zwei nebeneinander liegende?«, fragte
der Mann an der Rezeption.
Lissa kam, sich die Haare bürstend, ebenfalls herein und
erklärte, ein Zimmer reiche aus. »Es sind doch Suiten,
oder?«, fragte sie.
»Selbstverständlich.« Der Nachtportier
lächelte ermutigend.
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Erneut hatte mir der Tod das letzte bisschen Verstand
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