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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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der Hotelhalle kaufte Lissa die Los Angeles Times und warf sie mir zu, als ich in den Wagen stieg. Die Schlagzeilen
besagten, dass drei Hubschrauber der Marine, die vor fast zwei
Monaten vor Malibu ins Meer gestürzt waren, von einem
Taucherteam geborgen worden waren. Die Hubschrauber waren seinerzeit
von Camp Pendleton gestartet und hatten einige Häuser in Los
Angeles unter Beschuss genommen, wobei vier Bewohner, unter ihnen ein
Hollywood-Regisseur, ums Leben gekommen waren. Kein Motiv, keine
Erklärung. Die sechs Leichen der Hubschrauberbesatzungen waren,
noch immer an ihre Sitze gegurtet, ebenfalls geborgen worden.
    »Ist jemand dabei, den wir kennen?«, fragte Lissa. Der
Ausdruck in ihren Augen – kühl und distanziert –
erschreckte mich.
    »Klingt nach einer Drogensache.«
    »Das wird’s wohl gewesen sein, ja«, sagte sie und
stieß energisch den Gang nach vorn. »Marinepiloten haben
wegen einem missglückten Drogendeal ein Haus in Schutt und Asche
gelegt.«
    Sie jagte den Wagen mit quietschenden Reifen über die
Auffahrt zurück auf die Schnellstraße. Wir waren bereits
mehr als dreißig Kilometer gefahren, als sie wieder etwas
sagte. »Ist dir jemals der Gedanke gekommen, dass die Suche nach
ewiger Jugend verrückt ist?«
    »Das ist sie nicht«, entgegnete ich.
    »Aber ist nicht allein schon der Glaube daran in gewisser
Weise verrückt? Eine solche Zuversicht zu haben?«
    »Nicht, wenn diese Zuversicht auf Forschung
basiert.«
    »Hast du denn einen greifbaren Erfolg in Aussicht?«,
fragte sie, hielt eine Hand in die Höhe und presste die Finger
zusammen, als würde sie eine saftige Orange ausdrücken.
    »Noch nicht. Aber bald, wenn ich wieder an meine Arbeit gehen
kann.«
    »Ich habe mit angesehen, wie Rob immer mehr verfiel. Es
begann mit Rudy Banning, aber was, wenn der Anfang in Rob selber lag?
Ein Gen für Geisteskrankheit? Eine Veranlagung, die schon bei
einem nichtigen Anlass zum Ausbruch kommt?«
    »Rob war nicht verrückt.« Ich sah aus dem Fenster
auf grün gesprenkelte, in der Vormittagssonne weiß
leuchtende Baumwollfelder. Das gleißende Sonnenlicht tat meinen
Augen weh. »Und ich bin es auch nicht.«
    »Du und Rob, ihr habt dieselben Gene. Was, wenn das Ganze nur
ein Kreis irregeführter Menschen ist« – sie holte tief
Luft –, »die einander jagen und aus unersichtlichen
Gründen töten und getötet werden?«
    »Zugegeben, es ist schwer zu glauben, dass das alles
tatsächlich passiert«, räumte ich ein. »Aber du
hast die Folgen mit eigenen Augen gesehen.«
    »Ich habe den Wahnsinn gesehen«, erwiderte sie
und ihre Stimme wurde dabei merklich lauter. »Ich kann nichts
entdecken, das irgendeinen Sinn ergibt. Kannst du nicht wenigstens
akzeptieren, dass diese Möglichkeit besteht?«
    »Als Hypothese, sicherlich. Jetzt muss sie allerdings von
Fakten untermauert werden. Benehme ich mich etwa, als sei ich
verrückt?«
    »Dein Leben ist ein einziges Chaos. Das hast du selber
gesagt.«
    »Selbst Paranoiker haben Feinde«, sagte ich, Mrs. Callas
zitierend.
    »Aber was, wenn Rob sich irgendeine ansteckende Krankheit
geholt hat – ein Virus, in Russland, etwas, das das Gehirn
zerstört –, noch ehe er überhaupt von Silk gehört
hatte?«
    »Das klingt jetzt wirklich paranoid.«
    »Und worin unterscheidet es sich von dem, was deiner Meinung
nach vor sich geht? Es ist auch nicht unwahrscheinlicher als das, was
du behauptest.«
    Ich musste zugeben, dass sie damit nicht Unrecht hatte. »Aber
ich verstehe noch immer nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Ich will dir erzählen, was zwischen Rob und mir
vorgefallen ist.«
    Das stand nun wirklich nicht ganz oben auf der Liste der Dinge,
die ich unbedingt hören wollte. Das ganze Gespräch nahm,
wie ich fand, einen recht merkwürdigen Verlauf.
    »Ich will dir nicht wehtun«, begann sie. »Aber ich
denke, du solltest es wissen. Weil es meine Hypothese untermauert,
wie du wohl sagen würdest.«
    »Ich bin ganz Ohr«, sagte ich. Aber irgendwas stimmte
nicht mit meinem Gehör. Auch nachdem ich mit den kleinen Fingern
die Ohrmuscheln bearbeitet hatte, schien das Motorgeräusch noch
immer von weit herzukommen.
    »Er fing an, seinen gesunden Menschenverstand – oder,
besser gesagt –, seine geistige Orientierung zu verlieren,
nachdem er in Sibirien war. Es wurde schlimmer, als er Banning kennen
lernte. Nicht einmal nachts im Bett hörte er auf, darüber
zu reden. Er konnte nicht fassen, dass ihm jemand zuvorgekommen war.
Er war völlig besessen davon. Und dann

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