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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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mit den geheimnisvollen
Zeichen. »Ich kenne die Codes«, sagte sie. Bevor sie das
erklären konnte, mischte sich Cousins ein.
    »Man kann ihnen nicht entkommen.« Seine Stimme klang so
hohl, dass sie mich erschreckte. Er klang wie ein Gespenst.
»Denken Sie mal darüber nach. Wozu können diese Leute
andere zwingen? Zu allem. Wen können sie kontaktieren? Jeden,
überall. Herrgott, ich würde denen gerne zu spüren
geben, wie man sich dabei fühlt.« Er hob die Faust und
schwang sie durch die Luft. »Ihnen die Faust kräftig in die
Fresse knallen.«
    Das gedämpfte Geräusch – ein fernes Dröhnen
– war mir anfangs vertraut vorgekommen und sogar willkommen
gewesen. Mein Herz schlug im Einklang mit dem Rhythmus der Rotoren.
Als alten Dschungelkrieger erinnerte mich das stets an das Rauschen
von Engelsflügeln, an unverhoffte Unterstützung aus der
Luft. Aber dieser schöne Gedanke währte nicht länger
als ein paar Sekunden.
    Ich war nicht im Dschungel.
    »Was ist das?«, fragte Cousins.
    Ich hatte mir Marquez’ Sicherheitsmaßnahmen weiter
durch den Kopf gehen lassen. Wie würde ich versuchen, seine
Sperren zu durchbrechen, seine Festung zu stürmen? Wie die
meisten Zivilisten war er von der Annahme ausgegangen, dass es im
Leben gewisse Grenzen gibt, dass das, was man noch nie erlebt hat und
man sich nicht vorstellen kann, auch nicht eintritt. Marquez hatte
nicht mit einem Angriff aus der Luft gerechnet. Ich deutete nach
oben. »Hören Sie das?«
    Tammy legte den Kopf schief.
    »Das ist nur ein Hubschrauber«, sagte Cousins.
»Fliegt wahrscheinlich zum Flughafen von Los Angeles.«
    Inzwischen hätte der Höllenlärm von zwei oder drei
Helikoptern, deren Rotoren den Rhythmus für das Dröhnen der
Turbinen vorgaben, meine Stimme längst übertönt,
wären wir nicht im Keller gewesen.
    »Dazu sind sie zu nah«, sagte ich. »Und sie fliegen
in Formation.«
    »Polizei?«, fragte Cousins, aber er glaubte es selbst
nicht.
    Ich öffnete die Tür nach draußen. Zusammen mit
Cousins blieb ich in der kühlen Nachtluft stehen und spähte
in den Himmel. Hinter uns schob Tammy Mobiliar umher. Ohne mich
umzudrehen, wusste ich, was sie machte: Sie türmte Möbel
aufeinander, um sich zu verstecken.
    Cousins und ich liefen die Treppe hinauf, ich vorneweg. Als ein
neues, entsetzliches Geräusch zu hören war – es klang
wie ein teuflisches Räuspern – warf ich mich ohne zu
überlegen auf den Boden. Fast wäre Cousins über mich
gestürzt.
    Mein Körper erkannte dieses furchtbare Gedröhn wieder.
Ich hatte es seit mehr als dreißig Jahren nicht gehört,
aber es ging mir noch immer durch Mark und Bein: das die Luft
zerfetzende, saurierhafte Aufbrüllen der Kanone, die ein Dorf
auslöscht.
    Ich schob den Kopf über den Rand der Betonwand. Drei AH-1
SuperCobras des Marine Corps, kaum mehr als Silhouetten in der
dunkelgrauen Dämmerung, richteten ihre Scheinwerfer auf das
nächste Haus auf dem Bergkamm. Die 30 Millimeter-Bordkanone des
ersten Helikopters brüllte erneut auf, gleich darauf die des
zweiten, und schließlich nahmen alle drei das Haus und das
Anwesen unter Beschuss. Brraaappp-Rrrrrtatatat-Rrrumm-RRRATA-TAT: Rote Dachziegel flogen durch die Luft. Hunderte von Projektilen
pro Sekunde sägten das Dach ab, während die Wände
erbebten und wie chirurgisch abgetrenntes Gewebe wegbrachen. Der
Swimmingpool brodelte auf wie von tausend Geysiren.
    Eine Gestalt in weißem Nachthemd rannte über den Rasen,
färbte sich rot und war so plötzlich verschwunden wie
Abfall in einem Müllschlucker.
    Ich sagte etwas zu Cousins, kann mich aber nicht mehr erinnern,
was. Selbst in Vietnam hatten mich die verdammten Kampfhubschrauber,
die die Reisfelder umpflügten und die Dörfer in Fetzen
schossen, zum Weinen gebracht, aber was hier geschah, war noch viel
schlimmer. Hier stand ich, dreißig Jahre später, und
schluchzte wie ein Kind.
    Der dritte Helikopter zog sich dreißig, vierzig Meter
zurück und nahm das Haus unterhalb des Kamms unter Beschuss. Ich
konnte die Verheerung nicht sehen, aber ich konnte sie
hören.
    Das Flutlicht über dem Rasen verlosch.
    »Ausgerechnet jetzt«, murmelte ich. Sie dürfen
nicht merken, dass wir hier sind.
    Als die Kanonen verstummten, steckte Cousins den Kopf heraus und
kauerte sich neben mich in den Treppenschacht vor der
Kellertür.
    Marquez kam im Schlafanzug auf den Rasen gerannt. Im Widerschein
des Feuers wirkte sein Schatten wie der eines Gnoms. »Was, zum
Teufel?«, hörte ich ihn brüllen.
    Das Haus

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