Jäger
Zitroneneis.
»Der Adler ist gelandet«, sagte Breaker. Er machte ein
paar Schritte durch den Mannschaftsraum im Vorschiff, stützte
die Hand auf das Schott aus Walnussholz und nahm, Ben und mir
gegenüber, schließlich neben Delbarco auf einer
gepolsterten Bank Platz. »Der Präsident hat die Entgiftung
abgeschlossen. Er ist auf unserer Seite.«
Candle und Carson saßen am kleinen Tisch und hatten den
Rücken gegen die hintere Wand gelehnt. Drei unserer zehn
Marinesoldaten, zwei junge Männer und eine Frau, thronten steif
auf luxuriösen ledernen Drehstühlen. Sie trugen
Tarnanzüge, die ihnen vielleicht in einem Wüstenkrieg
genützt hätten, auf einem Kreuzschiff jedoch nicht
unbedingt hilfreich waren, wie ich fand. Sie hielten die Helme auf
dem Schoß und lauschten allem, was wir sagten, mit einer
Konzentration und Hingabe, die mich beeindruckten.
Ich war dabei, mir die dritte Tasse pechschwarzen Kaffees
einzuverleiben. Seit ich vor mehr als vier Stunden aufgewacht war,
fühlte ich mich grässlich – schwindlig und
desorientiert.
Breaker behielt den Abstand zwischen unserem Kreuzer und dem
riesigen Luxusliner genau im Auge. »Wir werden nicht alles
bekommen, was wir angefordert haben. Ganz Washington ist in einem
Aufruhr wie noch nie. Die Geheimhaltung ist längst durchbrochen.
Irgendein Senator ist zu den Schiffseignern gerannt und hat ihnen
erzählt, dass wir unterwegs sind. Wir hoffen, dass sich die
Einheiten der Küstenwache die Kooperation des Kapitäns und
der Besatzung gesichert haben, bevor wir eintreffen. Wir gehen erst
an Bord, wenn sie die Kontrolle übernommen haben.«
Niemand ließ sich über unsere eigene Verfassung aus.
Wir waren alle von den Auswirkungen des rauen Seegangs und des
Elixiers gezeichnet, mit dem wir uns ein weiteres Mal modifizierte
Bakterien einverleibt hatten. Und diese Bakterien brüteten
Phagen aus, deren Ziel in der Erzeugung komplementärer Boten-RNS
bestand. Wir waren Seekranke der Hochtechnologie, die es so schwer
erwischt hatte, dass wir gereizt und empfindlich reagierten. Und
niemand konnte uns sagen, was wir in den Eingeweiden der schwimmenden
Stadt finden würden.
Die Lemuria hatte jetzt noch fünf Meilen Vorsprung und
fuhr mit ungefähr fünfzehn Knoten auf Kurs
Süd-Südost. Je heller es wurde, desto nervöser wurden
Carson und Candle.
Ben und ich gingen an Deck, um etwas frische Luft zu schnappen.
Die Biologen folgten uns ein paar Minuten später. Die Gischt der
Schaumkronen und der Bugsee drang kalt und salzig in unsere Knochen,
tat mir jedoch gut. Mein Magen beruhigte sich so weit, dass ich
allmählich Hoffnung schöpfte, in den nächsten Stunden
doch nicht die Fische füttern zu müssen.
Carson und Candle wichen mir nicht von der Seite, als hätten
sie mit mir noch eine Rechnung zu begleichen. Ben, der wohl ein
bisschen allein sein wollte oder Ärger roch, verdrückte
sich aufs Vorschiff.
Angesichts der Überzahl der anderen gefiel es mir gar nicht,
dass er mich im Stich ließ.
»Verdammt, ist die groß«, bemerkte Carson, zog
einen Immobilienprospekt aus der Jackentasche und hielt ihn
aufgefaltet in den Wind. Der Längsschnitt der Lemuria umfasste drei große Felder. »Den habe ich in Port
Canaveral aufgetrieben. Bei Bel Canto Lines und American
Sea Life Corporation… Ist sie nicht schön? Die
billigste Eigentumswohnung kostet dort anderthalb
Millionen.«
Das Heck der Lemuria ragte fast dreißig Meter
über die Wasserlinie empor, vier Aussichts-, Gastronomie- und
Sportdecks nicht eingerechnet, die fast fünfundzwanzig Meter
zusätzlicher Höhe ausmachten. Jenseits der abgestuften
Decks, vom Ausläufer einer grauen Wolkenbank fast verborgen,
ragte der vierte, Elite genannte Turm empor: ein
seetüchtiger Wolkenkratzer, der von den jadegrünen
Flügeln und der elfenbeinweißen Kuppel der hinteren
Deck-Promenade und der Turnhalle gekrönt wurde. Die Turnhalle
hatte olympische Ausmaße.
»Keine Quartiere für die Dienstboten?« Candle
rümpfte die Nase. »Klar, wozu auch Gedanken an solche Leute
verschwenden?«
»Eine siebenhundert Mann starke Besatzung und
eintausenddreihundert ständig präsente Lohnsklaven warten
darauf, Ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen.«
»Tja, die im Dunkeln sieht man nicht«, bemerkte Candle.
»Finden Sie diese Reichen und Schönen nicht einfach
umwerfend?« Ihre dunklen Augen musterten mich kritisch.
»Das sind doch Ihre Leute, Dr. Cousins.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie sind doch mit dem Hut in der Hand
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