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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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es
eindeutig Bannings Züge.
    »Neunzehnhundertneunundvierzig«, sagte ich. »Sind
Sie sicher?«
    »Sehen Sie sich Mailer an«, erwiderte Ben. »Auf dem
Foto ist er noch ein ehrgeiziger, idealistischer Grünschnabel.
Und Miller hat noch volles schwarzes Haar. Kein Zweifel möglich:
Das Bild wurde 1949 in New York aufgenommen.«
    »Sie könnten es retuschiert haben.«
    »Hal, die Golochowa hat das Bild 1949 oder 1950 ins Album
geklebt. Es ist eines aus einer ganzen Reihe von Fotos von der
Waldorf-Konferenz. Ich wette, Maxim Golochow war ebenfalls dort und
hat Pläne mit seinen Kontaktleuten in Amerika
geschmiedet.«
    »Es könnte eine Fälschung sein.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Ich suchte Bens Blick. »Gehen Sie trotzdem mit auf das
Schiff?«
    »Das möchte ich um nichts auf der Welt
versäumen«, erwiderte er und klappte das Album zu.
    •
    Draußen zauberte die laue Nacht silberglänzende
Sternbilder an den Himmel und grelle Lichter auf die
Werbeflächen über all den Einkaufszentren,
Parkplätzen, Apartmenthäusern und Restaurants, die dem
Hafen von Canaveral und seinen Kreuzschiffen, insbesondere der Lemuria, zu Diensten waren. Die Deckbeleuchtungen und
Positionslichter des riesigen Schiffes gingen als Letztes an. Die
vier Türme der Lemuria sahen so aus, als hätten sich
Tempelsäulen zu Weihnachtsbäumen herausgeputzt. Allerdings
drang nur aus wenigen Fenstern, kaum mehr als zehn, Licht nach
draußen. Offenbar waren nur wenige Eigentumswohnungen verkauft
und bezogen worden.
    Um neun kam Breaker mit den beiden Schiffsarchitekten zurück.
Sie breiteten die Baupläne auf dem Tisch aus. Jeder von uns
würde einen kleinen Plan des Schiffs bei sich tragen, auf dem
die vorgesehenen Routen eingezeichnet waren. Die Architekten hielten
Tammys Zahlencodes für unzuverlässig. Wir würden
andere Wege finden müssen, um in Golochows Heiligtum zu
gelangen. Trotzdem gab mir Ben eine Kopie von Tammys Kartenskizze mit
den Zahlencodes, die ich zusammengefaltet in die Tasche steckte.
    Unsere Operation war nach wie vor auf die Unterstützung von
allen möglichen Seiten angewiesen. Der Operationsstab war
lediglich ein bunt zusammengewürfelter Haufen von
Privatpersonen, Militärs und Agenten verschiedener
Behörden. Wir würden uns im Yachthafen von Port Canaveral
einen Kabinenkreuzer ›ausleihen‹. Zehn Marinesoldaten
würden uns begleiten. Andere würden mit mindestens zwei,
möglicherweise sogar mit vier Helikoptern der Küstenwache
an Bord der Lemuria gelangen. Außerdem würden,
falls die Einzelheiten geregelt werden konnten, auch zwei Kutter der
Küstenwache bei diesem Spaß mitmachen.
    Ben lauschte den Ausführungen mit trauriger, ernster Miene.
Robs ursprünglicher, reichlich verrückter Plan würde
tatsächlich ausgeführt werden, allerdings in einem viel
größeren Maßstab, als einer von uns je zu hoffen
gewagt hätte.
    Ich fühlte mich seltsam leer im Kopf – eine Art
verspätete Schockreaktion vermutlich. Irgendetwas ging tief
drinnen vor sich, aber ich konnte es nicht ans Tageslicht zerren. Um
diese Leere zu füllen und meine Gedanken auf einen festen Punkt
zu konzentrieren, stellte ich mir vor, wie es sein würde, Maxim
Golochow gegenüberzustehen. Ich wollte seine geheimen Labors
plündern und vielleicht ein paar Anhaltspunkte zur Lösung
des Rätsels finden. Er schuldete mir etwas.
    Alle schuldeten mir etwas. Ich machte ihre Unwissenheit und
Borniertheit für alles verantwortlich, was ich erlitten hatte.
Und für Robs Tod. Ich würde für uns beide
weitermachen. Zumindest so viel war ich seinem Andenken schuldig.
    Trotz allem, was ich erlebt und überlebt hatte, war ich immer
noch versessen auf den großen Wurf.
    Delbarco und Breaker brachten Schlafsäcke, die noch in
Plastikhüllen verpackt waren, Nachschub an weißen, frisch
desinfizierten Handtüchern für das Bad und einen Karton mit
Fertigmenüs, die weder für Feinschmecker gedacht noch
frisch waren und bereits anno 1997 verschweißt worden
waren.
    Carson ertappte mich dabei, wie ich meinen Handrücken
betrachtete.
    »Irgendwelche Falten, Dr. Cousins?«, fragte er.
    Ich ballte die Hand zur Faust. »Nein.«

 
Kapitel 36
     
19. August – Atlantischer Ozean/Lemuria
     
    Der etwa zwanzig Meter lange Kabinenkreuzer, der der Lemuria aufs offene Meer hinaus folgte, schnitt stampfend durch die gut
einen Meter hohen Wellen. Über der dunkelgrauen See zog in der
Ferne die Morgendämmerung herauf. Das gelbliche Licht erinnerte
mich an die Farbe von

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