Jäger
gestiegen.«
»Vielen Dank übrigens«, bemerkte Carson
trocken.
»Seit wann sind Sie an der Materie dran? Und seit wann liegen
diese Ergebnisse vor?«, fragte ich.
»Das ist nicht wichtig«, erwiderte Candle.
»Für mich schon«, sagte ich.
»Vor fünf Monaten haben wir die Angelegenheit der
Direktorin der NSA unterbreitet. Sie leitete alles an die
zuständigen Stellen weiter. Dort blieb es in den
Eingangskörben liegen, weil es viel zu obskur und verrückt
schien, um etwas zu unternehmen: bis vor zwei Monaten.« Candle
hielt ihre dunklen Augen unverwandt auf mich gerichtet, eines ihrer
Augenlider zuckte. »Als drei Hubschrauber der Marine ein paar
Häuser in Los Angeles in Schutt und Asche legten, beschloss
jemand, es sei an der Zeit herauszufinden, was, zum Teufel, da vor
sich ging, und dem Ganzen ein Ende zu setzen. Und jetzt sind Sie
dran. Erzählen Sie uns, was Sie unternommen haben.«
Ich erzählte ihnen fast alles, was ich über die
Interaktion zwischen Bakterien und Darm wusste. Ich verriet ihnen
auch, wie man die wichtigsten Bakterienarten so immunisieren,
verändern und beeinflussen kann, dass man dem Unheil, das vor
siebzig Jahren in die Welt gesetzt wurde, entgegenwirkt. Allerdings
erwähnte ich nicht, dass ich veränderte Gene in die eigenen
Darmzellen eingeführt hatte. Ich bezweifelte, dass ihnen das
etwas nützen würde. Außerdem wollte ich verhindern,
dass sie mit Menschen herumexperimentierten, die vielleicht nicht
einmal wissen würden, was man mit ihnen anstellte,
möglicherweise auch gar nicht freiwillig an den Versuchen
teilnehmen würden.
Auf speziellen Blättern, auf denen Genom-Kartierungen
für mehrere Bakterienarten und eine kompakte Darstellung des
menschlichen Genoms verzeichnet waren, trug Candle ihre Notizen ein.
Als wir fertig waren, gewährte sie allen eine wohlverdiente
Pause.
Ben, der sich in einem tiefen Polstersessel niedergelassen hatte,
schlürfte bereits seine dritte Cola und hörte mit
zusammengezogenen Augenbrauen so konzentriert zu, als plane er ein
neues Buch.
»Geben Sie gut auf Ihre Eier Acht«, warnte ich ihn, als
wir für kurze Zeit allein waren.
»Sie hat Krallen wie eine Tigerin«, nickte er und schlug
das Fotoalbum an der Stelle auf, die er mit einem Finger markiert
hatte.
»Was wissen wir wirklich, Hal?«, fragte er und deutete
auf ein Foto in der oberen rechten Ecke.
Ich beugte mich vor. Auf dem Foto waren fünf Männer in
Anzügen zu sehen, die steif vor einem Vorhang posierten.
»Und?«, fragte ich.
»Die Aufnahme muss von einem russischen Fotografen gemacht
worden sein, der sie an Golochows Leute weitergegeben hat. Die
Golochowa hat sie zusammen mit all den anderen Fotos eingeklebt, aber
das hier ist das letzte Album, das sie zusammengestellt hat, glaube
ich. 1949 fand in New York eine große, von der Kommunistischen
Partei veranstaltete Konferenz statt, der Kulturelle und
Wissenschaftliche Kongress für den Weltfrieden, wie er
offiziell genannt wurde. Der Kongress wurde auch als Waldorf-Konferenz bekannt. Wichtige Leute und
Berühmtheiten aus aller Welt kamen nach New York, um daran
teilzunehmen. Das war natürlich in der Zeit vor McCarthy. Ich
glaube, das Life-Magazin hat damals darüber
berichtet.«
»Wer sind diese Leute?«
Er ließ einen Finger über das Foto gleiten. »Der
Bursche hier ganz links ist der Romancier Alexander Fadejew. Er war
damals Vorsitzender des Sowjetischen Schriftstellerverbandes. Auch
einer der weisen Affen in Stalins Zoo, die Augen, Mund und Ohren
wohlweislich verschlossen hielten. Der neben ihm ist Norman Mailer,
der echte Stormin’ Norman, bekanntlich Jude. Der hier ist
Arthur Miller, ebenfalls Jude. Hat Marilyn Monroe geheiratet, die,
wie einige behaupten, mit John F. Kennedy geschlafen hat. Der
zwischen den beiden ist Dimitrij Schostakowitsch. Ein ziemlich
bekannter Komponist, der jahrelang gegen Stalin gekämpft hat.
Aber dieser hier, ganz rechts, der mit dem Windsor-Haarschnitt –
wer ist das, Ihrer Meinung nach?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte ich leicht irritiert.
Allerdings hatte das Profil des fünften Mannes schon vorher
meine Neugier geweckt. Ich zog das Album näher heran. Die Nase,
die Augenbrauen, die Haltung…
Plötzlich spürte ich Angst, meine Hände waren
schweißfeucht.
»Was wissen wir wirklich, Hal?«, wiederholte Ben.
»Wer steuert hier wen? Sagen Sie’s mir.«
Der fünfte Mann sah Rudy Banning verdammt ähnlich.
Abgesehen davon, dass er ein paar Jahre jünger wirkte, waren
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